Kunst des klaren Denkens
Air Force und der CIA in der »Schweinebucht« an der Südküste Kubas. Ziel: Fidel Castros Regierung zu stürzen. Nichts funktionierte wie geplant. Am ersten Tag erreichte kein einziges Schiff die Küste mit Nachschub. Die ersten zwei wurden von der kubanischen Luftwaffe versenkt, die nächsten zwei kehrten um und flohen. Schon einen Tag später war die Brigade von Castros Armee komplett umstellt. Am dritten Tag wurden die 1.200 überlebenden Kämpfer abgeführt und in Kriegsgefängnisse gesteckt.
Kennedys Schweinebucht-Invasion gilt als eines der größten Fiaskos der amerikanischen Außenpolitik. Erstaunlich ist nicht, dass die Invasion schieflief, sondern dass ein so absurder Plan überhaupt durchgezogen wurde. Sämtliche Annahmen, die für diese Invasion sprachen, waren falsch. Zum Beispiel unterschätzte man komplett die Stärke von Kubas Luftwaffe. Oder: Man rechnete damit, dass die Brigade der 1.400 Exilkubaner sich im Notfall in den Escambray-Bergen hätte verstecken können, um von dort aus einen Untergrundkrieg gegen Castro anzuzetteln. Ein Blick auf die Landkarte von Kuba hätte gezeigt, dass der Fluchtort 150 Kilometer von der Schweinebucht entfernt war und ein unüberwindbares Sumpfgebiet dazwischen lag. Und doch: Kennedy und seine Berater gehörten zu den intelligentesten Männern, die eine amerikanische Regierung je vereint hat. Was lief schief zwischen Januar und April 1961?
Der Psychologieprofessor Irving Janis hat viele Fiaskos studiert. Gemeinsam ist ihnen Folgendes: Mitglieder einer verschworenen Gruppe entwickeln einen »Esprit de Corps«, indem sie Illusionen aufbauen. Unbewusst. Eine dieser Illusionen ist der Glaube an die Unverletzbarkeit: »Wenn unser Führer (in diesem Fall Kennedy) und die Gruppe der Überzeugung sind, der Plan funktioniere, dann wird das Glück auf unserer Seite sein.« Dann gibt es die Illusion der Einstimmigkeit: »Wenn alle anderen einer Meinung sind, muss meine abweichende Meinung falsch sein.« Und – man will kein Spielverderber sein, der die Einmütigkeit zerstören könnte. Schließlich ist man froh, dass man zur Gruppe gehört. Vorbehalte könnten den Ausschluss von der Gruppe bedeuten.
Groupthink kommt auch in der Wirtschaft vor. Klassisches Beispiel ist der Kollaps der Swissair im Jahr 2001, wo eine verschworene Beratergruppe um den damaligen CEO, getrieben von der Euphorie vergangener Erfolge, einen so starken Konsens aufbaute, dass abweichende Meinungen zur hochriskanten Expansionsstrategie gar nicht erst geäußert wurden.
Fazit: Wann immer Sie sich in einer verschworenen Gruppe mit starkem Konsens finden, äußern Sie Ihre Meinung unbedingt – auch wenn sie nicht gern gehört wird. Hinterfragen Sie die unausgesprochenen Annahmen. Notfalls riskieren Sie den Ausschluss aus dem warmen Gruppennest. Und falls Sie eine Gruppe führen, bestimmen Sie jemanden zum Advocatus Diaboli . Er wird nicht die beliebteste Person im Team sein. Aber vielleicht die wichtigste.
THE NEGLECT OF PROBABILITY
Warum die Jackpots immer größer werden
Zwei Glücksspiele: Im ersten können Sie zehn Millionen Euro gewinnen, im zweiten 10.000. Bei welchem spielen Sie mit? Wenn Sie im ersten Spiel gewinnen, verändert das Ihr Leben: Sie hängen Ihren Job an den Nagel und leben ab sofort von den Zinsen. Wenn Sie im zweiten Spiel den Jackpot knacken, leisten Sie sich einen schönen Karibik-Urlaub, und das war’s dann. Die Wahrscheinlichkeit, zu gewinnen, beträgt im ersten Spiel eins zu 100 Millionen, im zweiten eins zu 10.000. Also, wo spielen Sie mit? Unsere Emotionen ziehen uns zum ersten Spiel, obwohl das zweite, objektiv betrachtet, zehnmal besser ist. Darum der Trend zu immer größeren Jackpots – Millionen, Billionen, Trillionen – egal, wie winzig die Gewinnchancen sind.
In einer klassischen Studie von 1972 wurden die Teilnehmer eines Laborexperiments in zwei Gruppen eingeteilt. Den Teilnehmern der ersten Gruppe wurde gesagt, dass sie mit Sicherheit einen elektrischen Schock bekommen würden. Bei der zweiten Gruppe betrug die Gefahr, einen Stromschlag zu erhalten, nur 50 %, also die Hälfte. Die Forscher maßen die körperliche Erregung (Herzfrequenz, Nervosität, Schweißhände und so weiter) kurzvor dem besagten Zeitpunkt. Das Ergebnis war verblüffend: Es gab keinen Unterschied. Die Teilnehmer beider Versuchsgruppen waren genau gleich aufgeregt. Die Forscher reduzierten daraufhin die Wahrscheinlichkeit eines Stromstoßes bei der zweiten Gruppe auf 20 %, dann
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