Kunst des klaren Denkens
Just dieser Andreas war dran. »Das muss Telepathie sein!«, rief ich in einem Anflug von Begeisterung. Telepathie oder Zufall?
Am 5. Oktober 1990 berichtete der San Francisco Examiner , dass die Firma Intel den Konkurrenten AMD verklagen würde. Intel fand heraus, dass AMD einen Computerchip mit dem Namen AM386 zu lancieren plante, eine Bezeichnung, deren Anlehnung an Intels 386 offensichtlich war. Interessant ist, wie Intel darauf stieß: Zufälligerweise hatten beide Firmen jemanden angestellt, der Mike Webb hieß. Beide Mike Webbs checkten am gleichen Tag in das gleiche Hotel in Kalifornien ein. Nachdem die beiden Männer wieder ausgecheckt hatten, nahm das Hotel ein Paket für einen Mike Webb in Empfang. Das Paket, das vertrauliche Unterlagen zum AM386-Chip enthielt, wurde vom Hotel fälschlicherweise an Mike Webb von Intel geschickt, der die Inhalte umgehend an Intels Rechtsabteilung weiterleitete.
Wie wahrscheinlich sind solche Geschichten? Der Schweizer Psychiater C. G. Jung sah darin das Wirken einer unbekannten Kraft, die er Synchronizität nannte. Wie geht ein klar Denkender an solche Geschichten heran? Am besten mit einem Blatt Papier und einem Bleistift. Nehmen wir den ersten Fall, die Explosion der Kirche. Zeichnen Sie vier Felder für die vier möglichen Kombinationen. Das erste Feld ist der dargestellte Fall: »Chor verspätet und Kirche explodiert«. Aber es gibt noch drei andere Kombinationsmöglichkeiten: »Chor verspätet und Kirche explodiert nicht«, »Chor nicht verspätet und Kirche explodiert« und »Chor nicht verspätet und Kirche explodiert nicht«. Schreiben Sie die geschätzten Häufigkeiten in die Felder. Denken Sie daran, wie oft nur schon der letzte Fall passiert: Täglich, in Millionen von Kirchen, probt ein Chor zur abgemachten Zeit, und die Kircheexplodiert nicht. Plötzlich hat die Geschichte mit der Explosion nichts Unvorstellbares mehr. Im Gegenteil, es wäre unwahrscheinlich, wenn es bei Abermillionen von Kirchen nicht einmal im Jahrhundert zu einem solchen Ereignis käme. Also keine Hand Gottes. Nebenbei: Warum auch sollte Gott eine Kirche in die Luft sprengen wollen? Was für eine idiotische Art von einem Gott, so zu kommunizieren!
Dasselbe beim Telefonanruf. Halten Sie sich die vielen Situationen vor Augen, in denen Andreas an Sie denkt und nicht anruft; in denen Sie an Andreas denken und er nicht anruft, in denen er anruft und Sie nicht an ihn gedacht haben; in denen Sie anrufen und er nicht an Sie gedacht hat; und an die fast unendlich vielen Momente, in denen Sie nicht an ihn denken und er nicht anruft. Da Menschen etwa 90 % ihrer Zeit an Menschen denken, wäre es unwahrscheinlich, wenn es nie passieren würde, dass zwei Menschen aneinander denken und einer davon auch noch zum Hörer greift. Hinzu kommt, dass es nicht Andreas sein muss. Wenn Sie noch 100 andere Bekannte haben, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit um den Faktor 100.
Fazit: Unwahrscheinliche Zufälle sind eben gerade das: zwar seltene, aber durchaus mögliche Ereignisse. Es ist nicht überraschend, wenn sie vorkommen. Überraschender wäre es, wenn sie nie stattfänden.
GROUPTHINK
Warum Konsens gefährlich sein kann
Haben Sie schon mal an einem Meeting Ihre Meinung zurückgehalten? Bestimmt. Man sagt nichts, nickt den Anträgen zu, schließlich will man nicht der (ewige) Störenfried sein. Außerdem ist man seiner abweichenden Meinung vielleicht doch nicht ganz sicher, und die anderen in ihrer einhelligen Meinung sind ja auch nicht blöd. Also hält man still. Wenn alle so handeln, tritt Groupthink (Gruppendenken) ein: Eine Gruppe von intelligenten Menschen trifft idiotische Entscheidungen, weil jeder seine Meinung dem vermeintlichen Konsens anpasst. So kommen Entscheidungen zustande, die jedes einzelne Gruppenmitglied unter normalen Umständen abgelehnt hätte. Groupthink ist ein Spezialfall von Social Proof , einem Denkfehler, den wir in einem früheren Kapitel behandelt haben.
Im März 1960 begann der amerikanische Geheimdienst, antikommunistische Exilkubaner zu organisieren, um sie gegen Fidel Castros Regime einzusetzen. Zwei Tage nach dem Amtsantritt im Januar 1961 wurde Präsident Kennedy vom Geheimdienst über den Geheimplan zur Invasion Kubas informiert. Anfang April 1961 fand das entscheidende Treffen im Weißen Haus statt. Kennedy und alleseine Berater gaben dem Einmarschplan ihre Zustimmung. Am 17. April 1961 landete eine Brigade von 1.400 Exilkubanern mithilfe der US Navy, der
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