Kunst des klaren Denkens
Self-Selection Bias . Eine solche Bemerkung kann nur jemand machen, der tatsächlich existiert. Wer nicht existiert, kann sich darüber auch nicht wundern. Und doch: Genau denselben Fehlschluss machen Jahr für Jahr mindestens ein Dutzend Philosophen, die sich in ihren Büchern daran ergötzen, dass so etwas Geniales wie die Sprache entstehen konnte. Ich habe durchaus Sympathie für ihr Staunen, aber begründet ist es nicht. Gäbe es die Sprache nicht, könnten die Philosophen darüber gar nicht staunen, ja, es gäbe nicht einmal Philosophen. Das Staunen, dass es Sprache gibt, ist nur in einem Umfeld möglich, in dem es Sprache gibt.
Besonders lustig war neulich eine Telefonumfrage: Eine Firma wollte herausfinden, wie viele Telefone (Festnetz und Handys) es im Durchschnitt pro Haushalt gibt. Als die Umfrage ausgewertet wurde, staunte man darüber, dass kein einziger Haushalt angab, kein Telefon zu besitzen. Kunststück!
THE ASSOCIATION BIAS
Warum Erfahrung manchmal dumm macht
Schon dreimal hatte Kevin vor dem Aufsichtsrat die Ergebnisse seines Geschäftsbereichs präsentiert. Jedes Mal lief es perfekt. Und jedes Mal hatte er seine grün getüpfelten Unterhosen getragen. Klarer Fall, denkt er, das sind meine Glücksunterhosen.
Die Verkäuferin im Juweliergeschäft war so hübsch, dass Kevin nicht umhinkonnte, den 10.000 Euro teuren Verlobungsring zu kaufen, den sie ihm unverbindlich zeigte. 10.000 – das lag weit über seinem Budget (erst recht für eine zweite Ehe), doch unbewusst verknüpfte Kevin den Ring mit der Schönheit der Verkäuferin. Seine künftige Frau, stellte er sich vor, würde damit genauso blendend aussehen.
Jedes Jahr geht Kevin für eine Allgemeinuntersuchung zum Arzt. Meistens attestiert ihm dieser, er, Kevin, sei für sein Alter (44) »noch recht gut in Form«. Nur zweimal verließ er die Praxis bisher mit einer schockierenden Diagnose. Einmal war es der Blinddarm, der zügig herausoperiert werden musste. Ein anderes Mal ging es um eine Prostataschwellung, die sich in den Folgeuntersuchungen zum Glück nicht als Krebs, sondern als Entzündung herausstellte. Natürlich war Kevin außer sich, als er die Praxis an diesen beiden Tagen verließ – und es waren beides Mal außergewöhnlich heiße Tage. Seither fühlt er sich immer unwohl, wenn die Sonne brennt. Steht mal an einem Hitzetag ein Arztbesuch an, meldet er sich kurzfristig ab.
Unser Hirn ist eine Verknüpfungsmaschine. Das ist grundsätzlich auch gut so: Wir essen eine unbekannte Frucht, uns wird schlecht, also meiden wir die entsprechende Pflanze künftig und bezeichnen ihre Früchte als giftig oder zumindest ungenießbar. So entsteht Wissen.
Nur: So entsteht auch falsches Wissen. Untersucht hat dies zum ersten Mal Iwan Pawlow. Ursprünglich wollte der russische Forscher bloß den Speichelfluss bei Hunden messen. Die Versuchsanordnung war so gebaut, dass eine Glocke bimmelte, bevor die Hundenahrung geliefert wurde. Bald reichte allein die Glocke, um bei den Hunden die Speichelproduktion in Gang zu setzen. Sie verknüpften zwei Dinge, die funktional nichts miteinander zu tun hatten – das Läuten einer Glocke und die Produktion von Speichel.
Pawlows Methode funktioniert bei Menschen ebenso gut. Die Werbung verknüpft Produkte mit positiven Emotionen. Darum werden Sie nie Coca-Cola in Verbindung mit einem unzufriedenen Gesicht oder einem alten Körper sehen. Die Coca-Cola-Menschen sind jung, sie sind schön, und sie haben unglaublich viel Spaß.
Der Association Bias beeinträchtigt die Qualität unserer Entscheidungen. Beispiel: Wir tendieren dazu, Überbringer von schlechten Nachrichten nicht zu mögen. Auf Englisch bezeichnet man dies als Shoot the Messenger Syndrome . Der Botschafter wird mit dem Inhalt der Nachricht assoziiert. Auch CEOs und Investoren haben die (unbewusste) Tendenz, solchen vermeintlichen Unheilsbringern aus dem Weg zu gehen. Das Ergebnis: Auf der Teppichetage kommen nur gute Nachrichten an – es entsteht ein verzerrtes Bild der Situation. Warren Buffett ist sich dessen sehr bewusst: Er hat die CEOs seiner Firmen angewiesen, ihm die guten News gar nicht mitzuteilen, sondern nur die schlechten – und zwar ohne Umschweife.
In den Zeiten vor Telemarketing und E-Mail gingen Handelsreisende von Tür zu Tür und priesen ihre Waren an. Eines Tages kam der Handelsreisende George Foster an einem Haus vorbei, das unbewohnt war – was er nicht wissen konnte. Ein winziges Gasleck hatte das Haus über Wochen mit
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