Kunst des klaren Denkens
Abgaswaschanlage aus Kostengründen zu entfernen. Das eigene Haus nicht zu isolieren, ist weniger schlimm, als das Heizöl, das damit hätte eingespart werden können, als offenes Feuer zur eigenen Belustigung zu verbrennen. Einkommen einfach nicht zu deklarieren, ist weniger schlimm, als Steuerdokumente zu fälschen – obwohl das Resultat dasselbe ist.
Im vorherigen Kapitel haben wir den Action Bias kennengelernt. Ist er das Gegenteil zum Omission Bias ? Nicht ganz. Der Action Bias kommt ins Spiel, wenn eine Situation unklar, widersprüchlich, opak ist. Dann tendieren wir zu Umtriebigkeit, auch wenn es keinen vernünftigen Grund dafür gibt. Beim Omission Bias ist die Situation meistens übersichtlich: Ein zukünftiger Schaden könnte durch heutiges Handeln abgewendet werden, aber das Abwenden eines Schadens motiviert uns nicht so stark, wie es die Vernunft geböte.
Der Omission Bias ist sehr schwer zu erkennen – Verzicht auf Handlung ist weniger sichtbar als Handlung. Die 68er-Bewegung, das muss man ihr lassen, hat ihn durchschaut und mit einem prägnanten Slogan bekämpft: »Wenn du nicht Teil der Lösung bist, bist du Teil des Problems.«
THE SELF-SERVING BIAS
Warum Sie nie selber schuld sind
Lesen Sie Geschäftsberichte – insbesondere die Kommentare der CEOs? Nein? Schade, denn dort blühen Beispiele eines Irrtums, dem wir alle in der einen oder anderen Form verfallen sind. Der Denkfehler geht so: Hat die Firma ein ausgezeichnetes Jahr hinter sich, begründet es der CEO mit glänzenden Entscheidungen, seinem unermüdlichen Einsatz und der dynamischen Unternehmenskultur, die er in Schwung hält. Hat die Firma hingegen ein schlechtes Jahr hinter sich, so ist der starke Euro schuld, die Bundesregierung, die hinterlistigen Handelspraktiken der Chinesen, die versteckten Zölle der Amerikaner, überhaupt die verhaltene Konsumentenstimmung. Erfolge schreibt man sich selbst zu, Misserfolge externen Faktoren. Das ist der Self-Serving Bias (auf Deutsch etwa: selbstwertdienliche Beurteilung).
Auch wenn Sie den Ausdruck noch nicht kannten – Sie kennen den Self-Serving Bias von der Schule her. Für den Einser waren Sie verantwortlich; das Glanzresultat widerspiegelte Ihre wahren Kenntnisse und Fähigkeiten. Und wenn Sie einen Fünfer hatten, einen Reinfall? Dann war die Prüfung unfair. Heute kümmern Sie sich nicht mehr um Schulnoten, aber vielleicht um Börsenkurse. HabenSie einen Gewinn eingefahren, glorifizieren Sie sich selbst. Bei einem Verlust geben Sie der »Börsenstimmung« (was auch immer das ist) die Schuld oder Ihrem Anlageberater. Auch ich mache vom Self-Serving Bias ausgiebig Gebrauch: Erklimmt mein neuer Roman die Bestsellerliste, klopfe ich mir auf die Schulter: Klar, mein bislang bestes Buch! Geht der Roman in der Flut der Neuheiten unter, erscheint mir das ebenso logisch: Die Kritiker sind neidisch und schreiben Verrisse, und die Leser begreifen nicht, was gute Literatur ist.
Absolventen eines Persönlichkeitstests wurden nach dem Zufallsprinzip gute oder schlechte Noten zugeteilt. Jene, die eine gute Note erhielten, fanden den Test stichhaltig und allgemeingültig. Wer zufällig eine schlechte Note bekam, fand den Test überhaupt nicht aussagekräftig. Warum diese Verzerrung? Warum interpretieren wir Erfolge als eigene Leistung und schreiben Misserfolge anderen zu? Es gibt viele Theorien. Die einfachste Erklärung ist wohl: Weil es sich gut anfühlt. Und weil der Schaden, den wir uns damit anrichten, sich normalerweise in Grenzen hält. Wäre das nicht der Fall, hätte die Evolution diesen Denkfehler im Verlauf der letzten 100.000 Jahre ausradiert. Aber Vorsicht. In einer modernen Welt mit unübersichtlichen Risiken kann der Self-Serving Bias schnell in die Katastrophe führen. Ein gutes Beispiel ist Richard Fuld, der sich selbst gerne als »Master of the Universe« bezeichnete. Bis 2008 zumindest – Fuld war CEO von Lehman Brothers.
In den USA gibt es einen standardisierten Test, den sogenannten SAT, den alle Schüler durchlaufen, die sich um einen Studienplatz bewerben. Das Resultat liegt jeweilszwischen 200 und 800 Punkten. Wenn die Studenten ein Jahr nach der Prüfung nach ihrem SAT-Resultat gefragt werden, geben sie ihr Prüfungsergebnis im Durchschnitt um 50 Punkte zu hoch an. Interessant: Sie lügen nicht dreist, sie übertreiben nicht maßlos, sondern »frisieren« das Resultat nur ein bisschen – bis sie selber daran glauben.
Im Haus, in dem ich wohne, gibt es eine WG, die sich
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