Kunstgriff
Gästen. Inzwischen steht er allein da mit Schulden bis über beide Ohren. Er hatte teuer umgebaut, bevor seine Frau ihn verließ.«
Wolfert wechselte einen Blick mit dem Kollegen und bat Reisinger um die Namen des Paares und die Adresse des Weinguts. Rainald und Solveig Beber, Eltville, notierte er in sein Notizbuch.
»Wo waren Sie heute am frühen Morgen? Zwischen 7 und 8 Uhr?«
Reisinger atmete erleichtert aus. »Zu der Zeit ist es passiert? Dann kann ich beweisen, dass ich nichts damit zu tun habe.«
»Also bitte!«, knurrte Milano.
»Ich bin früh aus dem Haus und zu Verwandten nach Bad Camberg gefahren. Schon vor 7 Uhr war ich bei ihnen. Mein Patenonkel Herbert fliegt heute mit seiner Frau in den Urlaub. Sie haben mir erklärt, was mit den Blumen zu tun ist, und den Schlüssel übergeben, damit ich mich um die Post und das Aquarium kümmern kann. Danach haben wir zusammen gefrühstückt. Kurz vor 8 Uhr ist das Taxi gekommen, das sie zum Flughafen bringen sollte. Ich bin von dort aus ins Büro gefahren.«
»Machen Sie so etwas immer auf den letzten Drücker?«, fasste Milano nach. »Sie hätten doch gestern Abend hinfahren können.«
»Meine Familie gehört zu den Frühaufstehern.«
Wolfert ließ sich Name, Adresse und Mobilnummer des Patenonkels geben, der sich inzwischen auf dem Weg nach Gran Canaria befand. Das Lokal füllte sich. Zwei korpulente Damen steuerten die Nische an, als wollten sie sich dazugesellen, ließen sich aber durch Milanos tödlichen Blick abschrecken und sahen sich hilflos im Raum um, bis die Bedienung ihnen einen frei werdenden Sitzplatz am Fenster anbot.
»Wir werden Ihre Angaben überprüfen, Herr Reisinger«, erklärte Milano förmlich. »Nachher erwarte ich Sie im Kommissariat zur schriftlichen Aussage. Gib ihm die Karte, Dirk!«
Milano hatte nie welche dabei, und alles Erinnern half nichts. Wie selbstverständlich zückte Wolfert eine eigene Visitenkarte, die ordentlich im Notizbuch klemmte, schrieb in Druckbuchstaben Milanos Namen und die Telefonnummer auf die Rückseite und reichte sie an Reisinger weiter.
Danach erhob er sich. »Sie können gehen.«
Der Lebensmittelkontrolleur drückte sich an Wolfert vorbei und stürzte aus dem Lokal, die angekündigte Kontrolle missachtend. Der Wirt Petrus kam, die Kochschürze um die hageren Hüften geschlungen, hinter der Theke hervor und schaute Reisinger verdutzt nach.
»Schuldbewusst wirkte er nicht gerade«, meinte Wolfert und setzte sich wieder. »Entweder ist der eiskalt. Oder nicht unser Mann. Mal hören, was die Verwandtschaft zu sagen hat.«
Er wählte die Handynummer des Patenonkels und sprach die Bitte auf die Mailbox, sich mit dem Kommissariat in Verbindung zu setzen.
»Wir sollten diesem Winzer auf den Zahn fühlen«, schlug Milano vor.
»Vergiss die Frau Winzerin nicht. Sie hat ebenfalls allen Grund, auf Metten sauer zu sein.«
Milano zog das Handy hervor, um das Ergebnis des Gesprächs ins Kommissariat weiterzuleiten. Danach lauschte er aufmerksam ins Telefon.
»Steht die Sonderkommission?«, fragte Wolfert anschließend.
Milano nickte und presste das Doppelkinn gegen den breiten Hals. »Wir sind im üblichen Team. Gert hat die Leitung übernommen.«
Gert-Michael Schneider als Leiter konnte Wolfert nur recht sein. Schneider galt als besonnener und erfahrener Kollege, der die Gruppe im Griff hatte, ohne den Chef herauszukehren. Selbst Luigi ließ sich von ihm etwas sagen. Gelegentlich jedenfalls.
Der Wirt näherte sich mit einem Tablett, auf dem er zwei Portionen Gyros mit Bratkartoffeln, zwei Biergläser und eine Flasche Ouzo samt der Gläser transportierte. Milano schnupperte erwartungsvoll.
Petrus stellte die Teller und die Getränke ab. »Für die Herren Kommissare!«
Wolfert stieg der Geruch von heißem Fett und gebratenem Fleisch in die Nase. »Ich habe nichts bestellt!«
»Lasst es euch schmecken!«, gurrte Petrus. »Geht aufs Haus.«
»Danke, wir müssen los!«
Milano seufzte. »Mach keine Hektik, Dirk! Ohne Essen kann ich nicht denken.«
Der Wirt wandte sich mit einem verschlagenen Grinsen ab.
»Du wirst das nicht annehmen, Luigi!«, zischte Wolfert.
Milano beugte sich vor und wedelte sich die Luft zu. »Hmm, wie das duftet!«
»Du lässt dich von diesem Halsabschneider nicht einladen!«
»Hab dich nicht so, Dirk!«, gab Milano mit listigem Blick zurück. »Gönne deiner Beamtenseele eine Prise Anarchie. Du wirst sehen, das tut nicht weh.«
»Ohne mich! Ich warte draußen.«
Wolfert
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