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Kupferglanz

Titel: Kupferglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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sah ich Mattis Cordhose, die plötzlich in der Turmluke verschwand.
    Die Aussicht vom Turm hatte mir immer ein Gefühl triumphierender Freiheit gegeben, obwohl eigentlich nichts Besonderes zu sehen war. Endlose Wälder, hier und da ein See, der die Farben des Himmels spiegelte, einzelne Acker-streifen, an deren Rand sich schwarze Punkte, Häuser, abhoben. Die Stadt selbst verschwand im Sommer fast ganz hinter dem Hügel und den hohen Birken. In meiner Schulzeit hatte die Aussicht vom Turm mir die Gewissheit gegeben, dass die Welt weit über Arpikylä hinausreichte, dass viele Wege aus der Stadt führten.
    Und ich war so verrückt gewesen zurückzukommen.
    Ich stellte mich ganz dicht ans Geländer und spielte das alte Spiel «Wie weit nach unten traue ich mich zu gucken». Unten sah ich Meritta Flöjts orangefarbene Gestalt, Johnny war verschwunden. Einige schienen ein Glas in der Hand zu halten, und nachdem ich mich eine Weile im Gedränge auf der Plattform aufgehalten hatte, begab ich mich auf die Suche nach etwas Trinkbarem.
    Beim Abstieg überlegte ich, was ich über Meritta wusste ‐abgesehen davon, dass sie die Schwester von Jaska Korhonen war, meinem alten Kumpel aus der Band.
    Die Werke der Malerin Meritta Flöjt hatten zwei Hauptthemen: muskulöse nackte Männer und diverse Phallus-und Vaginasymbole. Merittas Männerporträts zierten die Wände aller Managerinnen und Politikerinnen, die sich für modern und sexuell befreit hielten. Sie waren zweifellos prachtvoll; in meiner uralten Sammlung männlicher Pinups war auch die Kopie eines ihrer Bilder, die ich aus einer Zeitung ausgeschnitten hatte.
    Meritta sagte, sie sei in ihre Heimatstadt zurückgekehrt, um dort zu malen, weil die Umgebung so inspirierend sei. Tatsächlich waren der über der Stadt aufragende Turm und die Schächte unterhalb des Hügels als Motive wie für sie geschaffen. Die zahmsten Versionen hingen im Rathaus und in der Stadtbibliothek, das repräsentativste war sogar in der offiziellen Broschüre der Stadt abgedruckt.
    Ich erinnerte mich, dass sie etwa zehn Jahre älter war als ich und ein Kind von ungefähr fünfzehn Jahren hatte. Der Vater des Kindes, Märten Flöjt, Solocellist beim Radiosymphonieorchester, war dagegen schon vor einigen Jahren, bei Merittas Rückkehr nach Arpikylä, in der Versenkung verschwunden.
    Ich war Meritta ein paarmal begegnet, obwohl sie damals, als Jaska und ich in der Band spielten, schon an der Kunstakademie in Helsinki studierte. Zu der Zeit war Jaska nicht gut auf seine älteste Schwester zu sprechen, er behauptete, sie wäre großkotzig geworden, seit sie den Sprung auf die Akademie geschafft hatte. Meritta würde sich wohl nicht an mich erinnern, aber ich wollte trotzdem ein paar Worte mit ihr wechseln. Ich war neugierig auf diese Frau, deren Ansichten den meinen ziemlich ähnlich waren.
    Die Party war in vollem Gang, sowohl im neu eröffneten Bergwerksrestaurant als auch auf dem Hof davor, wo gerade Ellas Tanzgruppe auftrat. Aus purem Pflichtgefühl schaute ich zu. Als jemand anfing, auf einer Säge zu musizieren, verdrückte ich mich nach drinnen und machte mich auf die Suche nach Bekannten.
    Eine der Aufbereitungshallen des Bergwerks war als Restaurant ausgebaut worden. Auf halber Höhe verlief rund um die zwanzig Meter hohe Halle ein Tresen, auf der unteren Ebene sollte im Lauf des Sommers eine ordentliche Tanzfläche angelegt werden. Der Raum sollte zu einer Art Mehrzweckgalerie ausgebaut werden, in der auch Konzerte und Theatervorstellungen stattfinden konnten. Der Umbau musste ein Wahnsinnsgeld verschlingen. Ich hoffte, dass Kivinen mit seinen Spekulationen über den Touristenzustrom recht behielt.
    Math und Johnny standen in einer Ecke im Erdgeschoss und unterhielten sich mit Meritta und einer im Schatten verborgenen vierten Person. Ich schnappte mir eine Handvoll Kartoffelchips und ein Glas Bowle von einem Tablett und schob mich in ihre Richtung. Das Licht, das schräg durch die Dachfenster fiel, traf direkt auf Merittas Kleid, und für einen Moment schien die ganze Frau in Flammen zu stehen. Meritta lachte über irgendeine Bemerkung von Johnny, und ihr Lachen perlte so hell über das Stimmengewirr, dass sich viele Köpfe zu ihr hindrehten.
    Sieh an, die Ortspolizeidirektorin wacht persönlich über die Party», grinste Matti.
    «Kennt ihr euch?»
    «Johnny ist ein alter Bekannter, und diese beiden Frauen nicht zu kennen ist wohl unmöglich.» Ich bemühte mich um einen scherzhaften Ton.
    «Wir

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