Kupferglanz
sind uns ja schön begegnet, du hast doch in der Punkband von unserem Jaska gespielt.» Meritta streckte mir die Hand hin. «Meritta Flöjt. Ich hatte schon vor, im Amtshaus vorbeizuschauen und unsere Ortspolizeidirektorin zu begrüßen. Schade, dass du nur vertretungsweise hier bist.»
«Meritta hätte gern mehr Feministinnen in Arpikylä, die uns Männer unter Kontrolle halten», flachste Matti.
«Ach was, manche von den Kerlen hier sind gar nicht mal so übel, dein Onkel zum Beispiel ist ein ganz vernünftiger Typ.» Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass Meritta von Pena sprach. Sie saßen beide in der Stadtverordnetenversammlung, in die Meritta nach der letzten Wahl als erste grüne Abgeordnete in der Geschichte Arpikyläs eingezogen war.
Die Vierte in der Runde hatte noch kein Wort gesagt, sondern versucht, sich zwischen der Wand und ihrem Vetter Johnny zu verstecken. Der Versuch war einigermaßen vergeblich, denn Kaisa Miettinen war nur ein oder zwei Zentimeter kleiner als Johnny mit seinen einsfünfundachtzig und auch sonst sehr ansehnlich. Für eine Speerwerferin war sie ausgesprochen schlank, wohl deshalb hatten die Sportreporter sie Speerfee getauft. Die auf die Schultern fallenden blonden Locken und das schüchterne Lächeln verstärkten den elfenartigen, irgendwie geschlechtslosen Eindruck. Offenbar waren die Jungs sowohl bei der Sportschau als auch in der Sportredaktion der größten Tageszeitung in Helsinki in Kaisa verschossen, denn über ihre Leistungen wurde viel ausführlicher berichtet als über weibliche Sportlerinnen im Allgemeinen. Seit dem WM-Silber im letzten Sommer galt sie als eine der größten Medaillenhoffnungen Finnlands sowohl bei der EM in Helsinki als auch bei der Olympiade in Atlanta. Eigentlich hätte ich sie jetzt im Trainingslager vermutet.
Kaisa hatte die gleichen Augen wie Johnny, glockenblumenblau mit gelben Pünktchen rund um die Iris. Sie hätten Zwillinge sein können, beide waren gleich groß, schlank und muskulös. Aber Kaisa war gut zehn Jahre jünger als Johnny, unter ihren Augen lagen noch keine müden Falten, und die Lachfältchen, die ihr schüchternes Lächeln in ihre Mundwinkel zauberte, glätteten sich sofort, wenn das Lächeln verschwand. Johnny dagegen sah schlaffer aus als sonst.
«Können wir mit dem Malen bis nächste Woche Pause machen?», fragte er Meritta. Offensichtlich knüpfte er an ein Gespräch an, das durch meine Ankunft unterbrochen worden war. «Ich habe versprochen, meinem Vater am Wochenende bei der Dachreparatur zu helfen. Und für Kaisas Muskeln ist das Posieren Gift, gerade jetzt vor dem Weltcup.»
«Kaisa braucht nicht zu posieren, nur du. Kaisa will ich in der Bewegung malen.
Von dir mache ich ein Bild, auf dem jedes einzelne Härchen zu sehen ist… »
Meritta wandte sich wieder an mich. «Ich male eine Serie mit dem Arbeitstitel Apollo und Artemis, Kaisa und Johnny stehen mir Modell. Ziemlich perfekte Exemplare, oder?»
Sowohl Johnny als auch Kaisa schien das Thema peinlich zu sein, daher lenkten Matti und ich das Gespräch auf die Instandsetzung des Alten Bergwerks.
«Am tollsten finde ich, dass man wieder in die Schächte kann. Die haben eine ganz eigenartige Stimmung. Du hast doch da unten gemalt, Meritta. Sind die Bilder schon fertig? Hast du bei elektrischem Licht gemalt?»
«Nein, ich hatte so eine altmodische Grubenlampe. Die Bilder hängen alle schon in meiner Stammgalerie in Helsinki. Wieso hast du denn keine Einladung zur Vernissage bekommen? Ich hab sie fast am Rand des Einsturzgebiets gemalt, das allein gab schon eine gespenstische Stimmung. Und trotzdem hätte ich Lust gehabt, mich dort ein bisschen genauer umzusehen», grinste Meritta.
«Verdammt nochmal, das wirst du nicht tun!», brauste Johnny auf. «Maria, du weißt doch sicher, dass ein Stück Straße gesperrt und die Häuser geräumt werden mussten, weil der Boden allmählich zum Schacht hin abrutscht?»
«Doch, ja. Aber der Rest der Stadt ist wohl nicht in Gefahr?»
« Nach Ansicht der Geologen jedenfalls nicht», warf Matti ein. «Wart ihr anderen schon mal unten?»
«In der Schule», sagten Johnny, Kaisa und ich wie aus einem Mund. Im Berufskundeunterricht in der neunten Klasse hatten wir das Bergwerk besichtigt.
Wir mussten in Gummistiefeln antreten, und bevor wir in den Aufzug durften, hatte der Diplomingenieur, der uns führen sollte, gelbe Helme verteilt. Ich war ein wenig enttäuscht gewesen, weil am Helm keine Lampe war, wie man sie immer
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