Kupferglanz
auf den Fotos sieht.
Schon als wir mit dem Aufzug einige hundert Meter nach unten fuhren, wurden die Ängstlichsten langsam grün im Gesicht. Unten war es mir vorgekommen, als würden die Schachtwände gleich auf mich stürzen. Das Schrecklichste waren die Finsternis, die man trotz der Lampen spürte, und die Stille, die nur das Glucksen des aus den Wänden rinnenden Wassers störte. Wie alle anderen hatte ich angefangen, leiser zu sprechen. Und dann kam von irgendwoher ein unerträgliches Bohrgeräusch, auf das von weiter her ein anderer Bohrer antwortete, sodass die Wände bebten, die Decke einzustürzen schien …
Als wir wieder oben waren, fand ich den Wind herrlich trocken, das Gezwitscher der Kohlmeise wunderschön, die Sonne heller als zuvor. Die Jungen hatten sich Blicke zugeworfen, in denen stand: «Auf keinen Fall da malochen.» Ich hatte am selben Abend Pena angerufen und ihn gefragt, wie lange er im Bergwerk gearbeitet hatte. «Zehn Jahre», sagte er, und ich legte auf.
Auf der Galerie mit dem Bartresen schlug jemand an ein Glas. Seppo Kivinen war vor einer Weile die Treppe hinaufgestiegen. Jetzt stand er steif wie eine Statue in seinem kupferglänzenden Anzug dort oben.
«Liebe Freunde!», schallte seine Stimme ohne Mikrophon durch die hohe Halle.
«Ich hatte gehofft, dass ich heute Abend gar nicht das Wort zu ergreifen brauche, dass diese Räume sozusagen für mich sprechen, aber meinetwegen … Ich möchte nur sagen, wie sehr ich mich freue, dass das Alte Bergwerk wieder voller Leben ist. Die Erzvorkommen haben Arpikylä schon seit mehr als achtzig Jahren florieren lassen, und wenn es auch inzwischen einen kleinen Rückschlag gegeben hat, bin ich davon überzeugt, dass sie nun wieder zum Wohlstand unserer Stadt beitragen werden. Ich selbst bin am Fuß des Turms aufgewachsen, genau genommen im heutigen Einsturzgebiet. Mein Vater hat siebenunddreißig Jahre im Bergwerk gearbeitet. Die Eröffnung der Schächte und des Bergwerksmuseums ist eine Huldigung an ihn und alle anderen Bergleute, mit deren Arbeit und Schweiß diese Stadt gebaut wurde. Ich erhebe mein Glas auf diese Männer!»
Kivinen schien von seinen eigenen Worten bewegt zu sein. Meritta biss sich auf die Lippen, aber ich war mir nicht ganz sicher, ob sie gerührt oder belustigt war.
«Leer … » Matti starrte betrübt in sein Glas. «Soll ich uns allen Nachschub holen?»
«Ich hab was zu erledigen … » Meritta verschwand. Plötzlich war ich froh, dass Kaisa da war und ich nicht mit Johnny allein blieb. Sport war ein einfaches Gesprächsthema, und Kaisa wirkte gar nicht mehr so schüchtern.
«Ich trainiere am liebsten hier zu Hause», sagte sie. «Hier ist kein Gedränge, weder auf dem Sportplatz noch beim Krafttraining. Und diesmal ist der Wettkampf ja in Finnland, da macht es keinen Sinn, nach Portugal oder so zu fliegen, damit sich die Muskeln an die Hitze gewöhnen.»
«Ich hab mich in letzter Zeit als Kaisas Hilfstrainer nützlich gemacht. Ihr richtiger Trainer wohnt in Vantaa, also ein bisschen weit weg», sagte Johnny. «Eigentlich habe ich hauptsächlich die Videokamera bedient, damit sich Kaisa ihre Würfe ansehen kann.»
«Ich würde sicher nicht mehr als zwanzig Meter werfen. Wie viel schaffst du, Johnny?»
«Habt ihr meine Mutter gesehen?», fragte plötzlich eine wütende junge Stimme hinter Kaisa. Das Mädchen war erschreckend mager, und die kurz geschorenen Haare unterstrichen zusammen mit der schlotternden Sportkleidung die Ähnlichkeit mit einem KZ-Häftling.
«Ich hab den beschissenen Schlüssel zu Hause gelassen. Johnny, hast du keinen?»
«Wieso sollte ich euren Schlüssel haben?» Johnny klang echt verblüfft.
«Mutter gibt sie allen ihren Kerlen. Es müssen Dutzende von unseren Schlüsseln in der Weltgeschichte herumfliegen. Und im Moment bist du ja wohl an der Reihe.»
«Was schwafelst du denn da, Aniliina! Ich hab deiner Mutter bloß Modell gestanden.»
«Red keinen Stuss! Ich bin doch nicht blind. Ach, da ist die Alte ja.» Das Mädchen lief zu Meritta, die an der Tür von irgendwem aufgehalten worden war. Bei dem allgemeinen Stimmengewirr konnten wir ihren Wortwechsel nicht verstehen, aber er schien hitzig zu sein.
«Johnny, hast du ein Verhältnis mit Meritta?», fragte Kaisa plötzlich so erregt, als hinge ihr Leben davon ab.
«Quatsch, natürlich nicht. Ich habe nur … »
«Leck mich doch am Arsch!» Aniliinas spitzer Schrei schnitt Johnny das Wort ab.
Sie hatte Meritta bei den Haaren gepackt
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