Kurpfalzblues
Apotheke.«
»Dieser Jammerlappen? Das kann nicht sein.«
»Wir fahren hin. Jetzt sofort.«
»Aber Rinkner quasselt doch was davon, dass er schuldig ist?«
»Verlier mal dein Kind, Mengert, dann fühlst du dich auch schuldig.
Egal was passiert ist. Eltern denken immer, sie hätten es verhindern können,
wenn sie dies oder jenes getan oder nicht getan hätten. Der ist genauso wenig
schuldig wie Karel Lindnar.«
Sie musste Alsberger Bescheid geben. Wenn sie ihn jetzt nicht
dazuholte, wäre es das endgültige Aus. Das würde er ihr nie verzeihen.
»Schick Rinkner nach Hause.«
Damit verschwand sie in ihr Zimmer.
Und während sie am Telefon mit Alsberger über Hans Martinsen sprach
und ihm die Adresse nannte, zu der er kommen sollte, ging draußen auf dem Flur
der Riese vorbei.
In der Unterwelt
Als sie in Neuenheim ankamen, war auch der letzte Rest von
graublauem Himmel endgültig der Dunkelheit gewichen. Mengert parkte den Wagen
nur wenige Meter entfernt von Martinsens Haus.
Friedlich sah es hier aus, die Häuser mit den sorgfältig angelegten
Vorgärten und hell gestrichenen Fassaden. Heidelberger Idylle, ging es Maria
durch den Kopf, hübsch und harmlos.
Hauste hier der selbsternannte Gott der Unterwelt?
Sie warteten. Einige Autos fuhren vorbei, ein Taxi. Dann sah Maria
im Rückspiegel Alsbergers Wagen.
Alsbergers Miene war finster wie nie zuvor, als er aus dem Auto
stieg. Sie besprachen sich kurz, dann gingen sie auf dem mit Platten
ausgelegten Weg zu Martinsens Haus. Maria klingelte, schaute in die kleine
Überwachungskamera, aber im Inneren des Hauses regte sich nichts.
»Ich versuch mal, ob ich in den Garten komme«, sagte Mengert.
»Vielleicht sieht man da was.«
Doch dann waren Geräusche zu hören. Ein Schlüssel wurde umgedreht,
die Tür ein paar Zentimeter aufgezogen.
Über der Sicherheitskette tauchte Martinsens Kopf auf.
»Guten Abend, Herr Martinsen.« Maria bemühte sich um einen
freundlichen Tonfall. »Wir müssten noch einige Dinge mit Ihnen besprechen.«
Hans Martinsen hatte den gleichen leidenden Gesichtsausdruck wie bei
ihrem letzten Treffen. Und auch ansonsten sah er noch genauso aus, in seiner
Jogginghose und den obligatorischen Pantoffeln. Nur die dicke Strickjacke mit
den ausgebeulten Taschen kannte Maria noch nicht.
»Es tut mir leid, aber ich fühle mich nicht gut. Mein Arzt hat
gesagt, es wäre besser, wenn ich mich mit dieser schrecklichen Angelegenheit
gar nicht mehr befasse. Vielleicht reden wir ein andermal darüber.«
»Nein, wir reden jetzt. Machen Sie die Tür auf.«
»Natürlich.« Er löste die Kette. »Wenn es denn so wichtig ist.«
Maria drängte sich ins Haus. Hans Martinsen trat zurück, blieb einen
Moment unschlüssig stehen, dann ging er vor ins Wohnzimmer. Auf dem Couchtisch
lag ein aufgeschlagenes Buch, daneben stand ein halb volles Weinglas. Leise
Musik war zu hören, Martinsen stellte sie ab.
»Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
»Sind Sie Asthmatiker, Herr Martinsen?«, fragte Maria.
Verblüfft schaute Martinsen sie an. »Wozu wollen Sie das wissen?«
»Beantworten Sie einfach meine Frage.«
»Meine Gesundheit ist miserabel. Meine psychische Verfassung ist …
Es ist einfach schrecklich. Ich brauche dringend Ruhe, hat der Arzt gesagt.«
»Sie haben in der Apotheke, in der Lea Rinkner gearbeitet hat, ein
Asthmaspray gekauft.«
»In welcher Apotheke? Ich verstehe nicht ganz?«
»Lea Rinkner ist die junge Frau, die Sie aus dem Neckar gezogen
haben«, erklärte Maria. »Also: Benutzen Sie ein Asthmaspray?«
»Sie können froh sein, wenn Ihre Lunge in Ordnung ist, glauben Sie
mir. Ich hole meine Medikamente mal hier und mal dort. Wo ich gerade vorbeikomme.
Dass ich dieser Frau dabei einmal begegnet bin, mag sein.« Er hob ratlos die
Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich kannte sie ja nicht.«
Maria deutete auf das Buch.
»Was lesen Sie denn gerade? Vielleicht Gedichte? Von Eichendorff?«
»Nein, ich habe es nicht so mit Gedichten.«
»Kannten Sie ein Mädchen mit dem Namen Anna Wyssmer?«
Martinsen schien kurz zu überlegen. »Nein, den Namen habe ich noch
nie gehört.«
»Das bezweifle ich.«
»Verraten Sie mir auch, warum?«
»Ich verrate Ihnen etwas anderes. Ich verrate Ihnen, wie man sich
unsichtbar macht.«
Martinsen sah Hilfe suchend zu Alsberger, aber der verzog keine
Miene.
»Wissen Sie, was nicht stimmte, von Anfang an?« Maria ließ Martinsen
keine Sekunde aus den Augen. »Dass die Leiche von Lea Rinkner festgebunden
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