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Kurpfalzblues

Titel: Kurpfalzblues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Bach
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das lernte, wenn man mit
so einem Vater aufwuchs?
    Einen Moment saßen sie schweigend da.
    Maria konnte sich vorstellen, wie Rinkners Leben in der nächsten
Zeit aussehen würde. Er würde sich in seiner düsteren Küche betrinken, seinen
Rausch ausschlafen, wieder aufstehen und sich wieder betrinken. So lange, bis
sein Körper irgendwann nicht mehr mitmachte.
    Es war so hoffnungslos, dass es ihr die Kehle zuschnürte.
    Sie konnte verstehen, dass Lea es nicht ausgehalten hatte, dabei
zuzusehen. Dass sie um jeden Preis wegwollte, fliehen, bis ans Ende der Welt,
in der Illusion, das erdrückende Elend hinter sich lassen zu können.
    »Ich rufe jemanden, der Sie nach Hause fährt.«
    »Nicht nötig.«
    Sie sollte es ihm sagen, jetzt, wenn er halbwegs nüchtern war.
    »Ich möchte mich entschuldigen für das, was ich zu Ihnen gesagt
habe. Ich weiß, dass es Ihnen nicht egal ist, was mit Lea passiert ist. Es tut
mir leid.«
    Der Riese nickte.
    Dann stand er auf und ging.
    Eine Viertelstunde später verließ auch Maria das Gebäude. Arthur
hatte sie sozusagen rausgeworfen, und sie hatte nichts mehr dagegen gehabt.
    Sie ging zu Fuß die Römerstraße lang. Die Luft war frisch und kühl.
Gut für ihren Kopf.
    Alsberger war sie nicht mehr begegnet. Vermutlich saß er in seinem
Büro und kaute an seiner Niederlage herum. Hoffentlich rannte er jetzt nicht zu
Ferver, um von sich aus zu kündigen. Aber Ferver war sowieso längst weg. Für
heute zumindest würde Alsberger keine Dummheiten mehr machen können.
    Als Maria die Haustür öffnete, sah sie im dämmrigen Licht des Flurs
einen Karton, der neben ihrer Wohnungstür stand.
    Es war kein Adressaufkleber darauf, nichts. Na prima. Da hatte wohl
wieder einmal einer der netten Nachbarn seinen Krempel stehen lassen. Und sie
konnte sich den Hals drüber brechen. Hoffentlich blieb der jetzt nicht die
ganze Woche da, wäre nicht das erste Mal.
    Maria hätte nicht sagen können, warum sie sich noch einmal umdrehte
und zur Treppe schaute, die zum oberen Stockwerk führte. Ein ungutes Gefühl
kroch in ihr hoch.
    Irgendetwas war anders.
    Von oben kamen Geräusche. Vielleicht Arno? Aber es hörte sich eher
an, als käme es aus dem Stockwerk darüber.
    Sie würde in den nächsten Tagen zu ihm gehen, ihm die Socke bringen
und eine Weinflasche und ein paar Dinge grundsätzlich klären. Und dann würden
sie hoffentlich eines dieser wunderbaren Knoblauchhühnchen essen.
    Maria ging in ihre Wohnung und legte sich auf die Couch, das Telefon
neben sich auf dem Tisch. Dann schob sie sich eines der dicken weichen Kissen
unter und schloss die Augen. Wunderbar. Die Nebelschwaden in ihrem Kopf lösten
sich langsam auf.
    Was tat Hades wohl jetzt?
    Ob er überhaupt noch hier in der Gegend war? Wenn es stimmte, und er
hatte Lea in der Apotheke getroffen, dann kam er wahrscheinlich aus Heidelberg
oder der näheren Umgebung. Man machte keinen Ausflug in eine andere Stadt, um
ein Rezept einzulösen.
    Und er musste Geld haben, viel, viel Geld.
    Anna Wyssmer. Was mochte er mit dem Geld aus der Entführung getan
haben? Sorgsam eingeteilt, sodass es bis ans Lebensende reichen würde? Oder war
er dabei, es zu verprassen?
    Warum hatte er überhaupt Gedichte geschrieben? Machte ihm so etwas
Spaß? War er einer von den Gefühlvollen? Oder einfach nur einer von den
Möchtegern-Dichtern, die Freunde und Verwandte zum Geburtstag mit ihren selbst
erdachten Gedichten quälten?
    Hades, der sie verhöhnt und die ganze Stadt zum Narren gehalten, der
Sarah Szeidel und ihrer Familie das Leben zur Hölle gemacht hatte.
    Sie konnte nur hoffen, dass er arrogant genug war, überzeugt davon,
ihnen überlegen zu sein. Denn wenn er immer noch glaubte, seine Täuschung sei
ihm gelungen, dann war er vielleicht hiergeblieben, saß irgendwo in Heidelberg
in einem großen Ohrensessel und las Gedichte.
    Auf dem Phantombild sah er so harmlos aus. So durchschnittlich.
    Lag es daran, dass sie den Eindruck hatte, das Gesicht zu kennen?
Oder hatte sie ihn doch schon einmal gesehen?
    Ein Geräusch. Was war das? War das nicht oben, in Arnos Wohnung?
Maria setzte sich auf und lauschte. Aber über ihr war es still.
    Das dumpfe, ungute Gefühl, das sie vorhin beschlichen hatte, meldete
sich wieder. Es war zu still da oben. Und es fehlte noch etwas anderes. Es
hatte auf dem Flur gefehlt, und es fehlte auch hier drinnen.
    Der Geruch, der sonst abends durch die Türritzen gekrochen kam, der
sich in den letzten Wochen im Haus breitgemacht hatte!
    Maria

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