Kurs Minosmond
jemand anders hiergewesen wäre. In der Glaswerkstatt hielt Wenzel sich lange auf, öffnete auch Schränke und Laden, aber nirgends fand sich etwas, was dem Glasteil ähnlich gesehen hätte, diesem etwa zwanzig Zentimeter langen Glasstück, das zylindrisch begann und dann spitz zulief wie manche Kerzen. Sogar eine Art Docht schien an der Spitze herauszuragen. Er würde wohl Kunstkollegen des Toten befragen müssen, wozu man das brauchte. Oder – stammte das Ding überhaupt von hier? Hatte es vielleicht jemand nur deshalb benutzt, weil der Tote eben Glaskünstler war? Alles Unsinn, so kam man nicht weiter.
„Würden seine Frau und seine Kinder auch als Fremde gelten, was die Hunde betrifft?“ fragte Wenzel.
„Ja gewiß“, antwortete Pauline, „das heißt, die Kinder vielleicht nicht, aber seine Ehemalige auf jeden Fall, die war seit fünf Jahren nicht mehr hier.“
„Sie mögen sie nicht?“
„Spielt das irgendeine Rolle?“
Oho, dachte Wenzel, die Kleine kann ja kiebig werden! Laut sagte er: „Ich denke schon, wir werden sie wohl herbitten müssen!“
Eigentlich, dachte Ruben Madeira, ist das, was ich hier mache, überflüssig.
Sie saßen jetzt im Zollstock, etwa tausend Kilometer von der Anlage entfernt, und bereiteten sich auf das Experiment und die EGI vor. Genaugenommen war die Ensemblegestützte Intuition schon angelaufen. Die fünf anderen hatten sich an ihren gleichgeordneten Steuerpulten plaziert, gemeinsam ein klassisches Musikstück gehört und dann ihre Atmung synchronisiert. Ruben überwachte zwar diese und viele andere Körpersynchronisationen an einem halben Dutzend Bildschirmen, die EEG, EKG, EMG und andere physiologische Meßwerte wiedergaben, und er stellte auch wachsende Synchronisation aller fünf Personen fest, die bis zur Ununterscheidbarkeit ging – aber er griff in keiner Weise in den Vorgang ein, vermittelte keine Meßwerte oder sonstigen Aussagen, er hätte ebensogut fehlen können, er wurde nicht gebraucht. Nicht einmal den Beginn des eigentlichen Experiments bestimmte er – die Beteiligten fühlten selbst, wann ihre Übereinstimmung weit genug gediehen war. Solche direkten Wirkungen des Körperlichen auf das Seelische, obwohl in vielen uralten Volksmedizinen seit Jahrtausenden praktiziert, blieben theoretisch immer noch voller Rätsel. Und das war ja nun erst der Beginn dieser verblüffenden Methode.
Die Rahmenbedingungen für die Existenz des Bläschens wurden automatisch gesteuert – also die Prozedur der Erzeugung, dann die Form der Magnetfelder, die es festhielten, und ihre Veränderung bei steigender Energieaufnahme, ebenso die Laser, die ihm Energie zuführten und gleichzeitig gegenseitig ihre Lichtdruckwirkung aufhoben, selbstverständlich auch die unvorstellbar präzise Meßtechnik, die Ort und Zustand dieses anfangs atom-, später molekülgroßen Teilchenkollektivs feststellte.
Im Rahmen dieser durch die bisherigen Versuche normierten Existenzbedingungen des Bläschens gab es aber viele andere Parameter, die man innerhalb der gegebenen Grenzen variieren konnte, beispielsweise das Tempo beim Wechsel der Magnetfelder, Schwankungen in der Veränderung der Energiezufuhr und anderes, und das alles während jeder Sekunde oder hundertstel Sekunde der etwa einminütigen Lebenszeit des Bläschens – mehr Variationsmöglichkeiten, als hundert solche Anlagen in hundert Jahren praktisch ausprobieren konnten. Denn auf jede Änderung solcher Parameter reagierte das Bläschen auf irgendeine Weise, und die Experimente waren mindestens auf zweierlei aus: einerseits die Lebensdauer zu erhöhen, andererseits das Fassungsvermögen für Energie zu vergrößern. Beides mußte durchaus nicht auf dem gleichen Wege erreichbar sein.
Nun löst man solche Probleme in der Regel damit, daß man einen Zufallsgenerator anschließt, der die Parameter variiert. Ebendas hatte vor Jahren zu nichts geführt, woraufhin die EGI entwickelt wurde, die den Zufall durch eine subjektive Linie ersetzte, durch persönliches abstraktes Formgefühl, Prozeßfühligkeit oder wie immer man das nennen wollte.
Jetzt – Ruben sah es auf seinen Geräten: Die letzten nichtübereinstimmenden Körperreaktionen bei den fünf unterblieben, alle Linien liefen parallel, und jetzt startete die schwarze Esther das erste Bläschen, und sie war dabei so souverän, daß sie ihm, Ruben, zulächeln konnte, ohne ihre Integration mit den anderen im mindesten zu stören.
Ruben sah nun auch auf die Geräte, die den Fortgang
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