Kurs Minosmond
der EGI-Steuerung, nur vorprogrammiert mit einer der drei Varianten am Schluß – nichts änderte sich. Jedesmal trat diese kurzfristige Schrumpfung vor der Explosion auf, und sie konnte damit als gesicherte Entdeckung gelten. Aber jedesmal folgte dann auch in unverändertem Abstand die Explosion, die übrigens an sich keinerlei neue Erkenntnisse oder Begleitumstände brachte.
Die sechs waren nicht enttäuscht. Eigentlich hatte niemand erwartet, daß nun gleich im Anschluß eine Kette unerhörter Entdeckungen folgen würde. So leicht machte es die Materie ihren Erforschern nicht.
Sie hatten sich auch gar nicht um die Abläufe gekümmert, sondern nur hinterher die Computerauswertung zur Kenntnis genommen, die besagte, daß die Lebensläufe der vier Bläschen identisch waren. Sie hatten vielmehr die Zeit genutzt, um den vom Ensemble gefundenen Ablauf mit allen früheren zu vergleichen. Freilich dauerte das länger als die drei Abläufe, schon deshalb, weil die Menschen die Ergebnisse in unterschiedlicher Form von der Anlage forderten, die einen rechnerisch, die andern als grafische Darstellung, wieder andere verlangten Präzisierungen in bestimmten Punkten. Erst als alle sich sozusagen mit Information gesättigt hatten, begann die Diskussion darüber, wie man weiter verfahren wollte, nachdem die automatisch-experimentelle Anknüpfung nichts ergeben hatte.
Sie diskutierten wohl eine Stunde oder auch etwas länger, aber sie kamen zu keiner Übereinstimmung. Fast alle fanden diese kurze Schrumpfung vor Schluß äußerst bemerkenswert und wollten sie gern weiter untersuchen. Die meisten jedoch scheuten davor zurück, die Grundbedingung der EGI aufzuheben: die freie Variierbarkeit der Parameter, die das spontane Eingreifen möglich machte. Diese Scheu war eine Folge der Tatsache, daß neue Erscheinungen immer nur mit EGI, nie mit systematischen Programmierungen entdeckt worden waren.
Ruben hielt sich in dieser Debatte zurück, obwohl seine Außenseiterschaft ja nur für die EGI-Zeit galt. Ihm war ein ketzerischer Gedanke gekommen, den wollte er, um die andern nicht unnötig zu verunsichern, nicht ungeprüft von sich geben. Er als Außenseiter durfte sich ohne Bedenken das Vergnügen leisten, an dem Glorienschein der EGI ein bißchen mit dem Fingernagel zu kratzen; die sie aber durchführten, durften das nicht.
Ihm war aufgefallen, daß die EGI bei all ihrer erwiesenen Ergiebigkeit in der jetzt praktizierten Form völlig ungeeignet war für gezielte, systematisch angesetzte Versuche oder Versuchsserien zur Klärung oder Untersuchung eines bestimmten Problems – zum Beispiel dieser Schrumpfung. Einerseits war das natürlich, denn die EGI war eine rational unsystematische Methode, darin lag gerade ihre Stärke. Andererseits machten systematische Versuche eine Zielrichtung möglich. Wenn man die Vorteile beider Gruppen von Methoden vereinen könnte…
Die Diskussion, obwohl unentschieden zu Ende gehend, entschied doch den weiteren Verlauf – inneres Schwanken der einzelnen Partner wie auch äußere Gegensätze zwischen ihnen würden die EGI stören. Also wurde eine Serie von vollautomatisch gesteuerten Experimenten angesetzt, die eine Frage klären sollten: Wo im Ablauf des ersten Versuchs war der Punkt, an dem die Bedingungen für die Schrumpfung geschaffen wurden? Zu diesem Zweck sollte mal dieser, mal jener Abschnitt der EGI-Steuerung weggelassen werden. Hunderte von Bläschen mußten erzeugt und gesteuert werden, aber ohne Einfluß der Menschen – lediglich einer mußte jeweils den Ablauf überwachen, für den Fall, daß sich unerwartet etwas Besonderes ereignete. Danach, ausgeruht, würde man weitersehen.
Zu den Bräuchen, die sich im Zusammenhang mit der EGI ausgebildet hatten und von denen niemand sagen konnte, ob sie notwendiger Bestandteil oder Zugabe waren, gehörte auch die künstlerische Beschäftigung in den Pausen, sowohl ausübender als auch aufnehmender Art. Das klingt wie eine Tautologie in dieser Zeit, da Kunst die Hauptproduktion der Menschheit ist; aber hier verhielt es sich doch etwas anders. Die Schwerelosigkeit an Bord des Zollstocks, der ja nur ein kleines Vermessungsschiff war, gab beinahe jeglicher Kunst einen leicht parodistischen Anstrich, und zwar für beide Seiten. Man kann sich unschwer vorstellen, daß sogar für einen Sänger, für den die Schwerelosigkeit nichts ändert an den direkten Bedingungen seiner Kunst, das fehlende Gefühl von oben und unten, das veränderte Körpergefühl
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