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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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des Experiments anzeigten, die Kennlinien des Kollektivs behielt er nur mit im Auge. Er sah, wie das Bläschen ausgestoßen wurde in den leeren Raum auf der Schattenseite der Anlage und wie sofort die Laser von den Seiten her begannen, Energie zuzuführen. Er sah, wie das Bläschen wuchs, und sah auch, wie in der fünfzehnten Sekunde die Physikerin auf Platz drei zu arbeiten begann und wie ihr wenige Sekunden später die anderen folgten. Sie mußte ein Programm haben für ihre Tätigkeit, und mehr noch, die anderen vier mußten dieses Programm begriffen haben, nur Ruben als Außenseiter hatte keine Ahnung, wie das Programm aussah. Es war eine der Merkwürdigkeiten dieser Methode: Sie saßen im selben Raum, hatten die gleichen Voraussetzungen, sie blickten auf dieselben Anzeigegeräte, aber der Außenseiter, also der, der sich nicht seelisch in das Ensemble eingefügt hatte, verstand nicht, was vorging, ihm war es höchstens im nachhinein durch Analyse der Meß- und Steuerwerte möglich, das Programm zu erkennen.
    Natürlich waren die Personen nicht beliebig auswechselbar; die bei dieser Methode das Ensemble bildeten, mußten sich kennen und aufeinander eingespielt, gewissermaßen trainiert sein, und sie mußten die Sache, um die es ging, beherrschen, mußten alles wissen, was es bis dahin zu wissen gab über diese Bläschen, mußten sozusagen täglich mit ihnen umgegangen sein, kurz, es mußte alles das auf alle Teilnehmer zutreffen, was bei einem einzelnen als Voraussetzung für eine Entdeckung notwendig war.
    Ruben war es, als verspüre er eine Art Sog, der ihn hineinziehen wollte in das Ensemble, und er wehrte sich dagegen, indem er seine Atmung der der anderen entgegensetzte, bemüht leise, um nicht zu stören. Dann tat er noch etwas, was die anderen nicht tun konnten: Er holte sich von dem Punkt, an dem Platz drei eingegriffen hatte, die Aufzeichnung auf den Schirm, das nützte ihm auch nichts, er konnte daraus nichts ersehen, aber er kam aus dem Rhythmus der anderen.
    Nun mußte die Minute fast um sein. Ruben entschloß sich, die zu erwartende Explosion des Bläschens in Zeitlupe zu beobachten, er ließ also von diesem Augenblick an die Aufzeichnung laufen, jedoch verlangsamt, was sonst erst nach dem Experiment getan wurde. Es war übrigens schon etwas über eine Minute, dieses Bläschen war relativ langlebig. Aus dem Augenwinkel sah Ruben, daß die andern sich zurücklehnten, er hörte auch an ihrer Atmung, das das Experiment beendet, das Bläschen explodiert war, aber er ließ sich nicht ablenken, er folgte gespannt den Vorgängen auf den Bildschirmen, so als zeigten sie den wahren Ablauf.
    Und plötzlich sah er etwas, was die andern unmöglich bemerkt haben konnten, weil das Ereignis von zu kurzer Dauer war; es war aber etwas, was bei keinem bisherigen Experiment aufgetreten war: Ganz kurz vor der Explosion, es mochten vielleicht zwei, drei Mikrosekunden sein, zog sich das Bläschen ein wenig zusammen, statt sich wie bis dahin auszudehnen.
    „Nehmt mal mein Bild auf euern Schirm“, sagte Ruben und ließ die Aufzeichnung zehn Mikrosekunden Realzeit zurücklaufen. „Ich will euch was zeigen!“
    Die andern sahen sich stumm das Ereignis an.
    „Haben wir ein Schwein!“ sagte Esther nach einer Weile. „Gleich zu Beginn der neuen Serie!“ Sie wandte sich an Ruben. „Ich hab gewußt, du bringst uns Glück. Nennen wir das Ding die Madeira-Schrumpfung!“ Sie sah sich triumphierend um.
    „Dann lieber nach Akito“, widersprach Ruben und nickte zum Platz drei hinüber. „Sie hat es doch angesteuert, ich hab es bloß als erster gesehen!“
    „Außerdem ist das unwichtig“, sagte Akito und hatte natürlich recht. Solche Effekte wurden nur im Sprachgebrauch eines kleinen Kollektivs und auch dort nur vorübergehend und halb im Scherz nach Menschen benannt. Aber der Scherz war wohl nützlich gewesen zur Entspannung. Die Freude wirkte weiter, doch das Gespräch wurde nun sachlicher. Es erbrachte fürs erste drei Möglichkeiten der experimentellen Anknüpfung und Weiterführung: Erstens sollte zu Beginn der Schrumpfung die Energiezufuhr, also die Laserbestrahlung, abgebrochen werden; zweitens das Gegenteil, und zwar verdoppelt, und drittens sollte der Impulsbetrieb der Laserbestrahlung verlangsamt werden, und zwar so weit, daß man später, bei Zeitlupe, eventuelle Reaktionen auf einzelne Impulse isoliert betrachten konnte.
    Sie ließen drei Bläschen durchlaufen, vollautomatisch gesteuert gemäß dem Protokoll

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