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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Welt umspannte. Er überlegte, ob er in Gagarin, der Erdaußenstadt, anrufen sollte oder ob es besser sei, der ehemaligen Frau des Toten ein Telex zu schicken mit der Bitte, sie möge sich melden. Er kam aber nicht dazu, sich für das eine oder andere zu entscheiden, denn zuerst rief ein Sohn des Toten an und wollte Näheres wissen, die Ratgeberin hatte die Kinder verständigt; Wenzel vertröstete ihn und versprach, sich in einigen Tagen noch einmal zu melden. Dann erschien das Gesicht von Dr. Hasgruber auf dem Bildschirm. Der Arzt lächelte verkniffen.
    „Wie ich sagte – er war schon tot, als der Glasstab die Halsschlagader zerfetzte. Aber noch nicht lange.“
    „Was heißt: noch nicht lange?“
    „Höchstens fünf Minuten. Wenigstens drei Sekunden.“
    „Und woran ist er gestorben?“
    „Herzversagen.“ Der Arzt schüttelte den Kopf.
    „Das gefällt Ihnen nicht?“ fragte Wenzel.
    „Überhaupt nicht!“ antwortete der Arzt fast vorwurfsvoll, so als sei Wenzel dafür verantwortlich. „Mit meinem Zuständigkeitskode habe ich mir die Krankengeschichte zugänglich gemacht. Der Mann war kerngesund.“
    „Gift?“
    „Nicht nachweisbar.“
    Wenzel wußte, wenn der Arzt dies sagte, dann konnte man fast sicher sein, daß kein noch so unbekanntes Gift hier im Spiel war. Aber immerhin, eine verschwindend geringe Möglichkeit blieb doch.
    „Ist er dort gestorben, wo wir ihn gefunden haben?“
    „Wahrscheinlich. Sicher ist es nicht. Er kann sich beim Hinfallen den Stab durch den Hals gebohrt haben. Alles kann, kann, kann.“
    „Und das Herzversagen – ein Schreck? Ein Schock?“
    „Der hätte nicht mal schneller geatmet, wenn aus der Hausapotheke ein Skorpion herausgekrochen wäre.“
    „Irgend etwas sonst in seinen Unterlagen, was ich wissen sollte?“
    „Sind Sie allein im Zimmer?“ fragte der Arzt zurück. Wenzel bejahte und unterdrückte dabei ein Lächeln: Selbstverständlich durften nur Ärzte die Krankengeschichte eines Menschen aus dem Computer abrufen, und auch nur solche, die das für die Behandlung brauchten. Das war einmal, vor hundert Jahren und früher, von großer Bedeutung gewesen – seit über zwanzig Jahren aber war vor keinem Schlichter der Welt mehr ein Verfahren wegen Datenmißbrauchs verhandelt worden. Dr. Hasgruber jedoch hielt mit ängstlicher Strenge an allen herkömmlichen Sicherungsmaßnahmen fest. Und obwohl Wenzel das ein bißchen lächerlich vorkam, konnte er dieser Haltung des alten Arztes doch nicht seine Achtung versagen.
    „Keine Krankheit“, sagte Dr. Hasgruber, „aber ein paarmal Tropenanpassung, das letztemal vor – vor drei Jahren.“
    „Ich erreiche Sie doch noch dort?“
    „Zwei Reihen hab ich noch laufen. Wenn ich absolut sicher bin, daß keine Vergiftung vorliegt, melde ich mich noch mal. Sonst sehen wir uns beim Abendbrot.“
    Wenzel gönnte seinen Augen einen nachdenklichen Blick aus dem Fenster. Dieser Fall würde nicht zu denen gehören, die im Handumdrehen zu erledigen waren. Er fühlte das mit einer Sicherheit, als hätte er tausend Gründe dafür. Dabei war es wohl eher das Fehlen jeglichen einsehbaren Grundes für das Geschehene, was ihn so fühlen ließ. Was konnte er tun? Die Leute hier im Ort befragen. Die Leute befragen, die ihn vom Dienst her kannten, vom Handwerk, von der Kunst, Verwandtschaft. Schwierig, wenn man nicht wußte, wonach man fragen sollte. Nicht sehr aussichtsreich. Blieb nur die Hoffnung, daß sich bei all den Gesprächen irgendein Anhaltspunkt ergeben würde.
    Und noch eins war nötig, ein Vorgehen, mit dem er mehrfach gute Erfahrungen gemacht hatte: die letzten drei Tage des Toten zu rekonstruieren, und möglichst nicht nur die räumlich-zeitlichen Koordinaten, sondern auch, was er getan, was ihn bewegt hatte. Das würde er der Ordnerin übertragen, sie kannte sich hier besser aus.
    Ja, er hatte sich jetzt entschlossen, er würde ein Telex aufgeben an die ehemalige Frau, sehen wollte er sie erst, wenn sie ihm persönlich gegenüberstand, der Bildschirm lieferte immer einen verfälschten Eindruck.
    Eben wollte er die Grapschkiste einschalten, da hielt draußen auf dem kleinen Platz ein Wagen, und eine schmale schwarzhaarige Frau stieg aus. Sie blickte kurz in die Runde, einen Augenblick länger zum Hubschrauber, und dann kam sie direkt auf das Haus der Ratgeberin zu. Eine Frau, die hier Bescheid weiß, vermutete Wenzel, aber längere Zeit nicht hier war. Sollte das…?
    „Guten Tag, entschuldigen Sie, ich wollte zu Ingrid.“

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