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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Nikolajewitsch Petrow – Moskau

    Ich wende mich an Sie mit dieser Ausarbeitung, die ich nur als Brief bezeichnen kann, denn den Namen Studie verdient sie nicht, weil sie nur in einzelnen Zügen wissenschaftliche Strenge aufweist, aus Gründen, die ich sofort erläutern werde, nachdem ich mein Ziel genannt habe: Ich möchte erreichen, daß Sie und Ihre vier Kollegen eine globale Forschungsgruppe einberufen, die sich mit möglichst weitreichenden Fonds und Befugnissen den hier zu beschreibenden Problemen widmet.
    Die diesem Brief fehlende wissenschaftliche Strenge könnte erst das Ergebnis langjähriger Arbeit einer solchen Forschungsgruppe sein. Der Umfang der Arbeit ergibt sich aus Breite und Tiefe des Gegenstands: Er umfaßt einen großen Teil des gesellschaftlichen Lebens, zunächst in Form weit gestreuter Fälle, wahrscheinlich in der Konsequenz aber das gesamte Leben. In diesem Stadium der Dinge (und also auch in diesem Brief) wird es häufig unvermeidlich sein, von konkreten Erscheinungen zu den höchsten Abstraktionen zu springen und Beweisführung oder Widerlegung späterer und qualifizierterer wissenschaftlicher Arbeit zu überlassen, die ja nicht vorweggenommen, sondern im Gegenteil angeregt werden soll.
    Der Grund aber, warum ich nicht mit meinem Anliegen warte, bis ich es in ausreichender Präzision darstellen oder wenigstens die gröbsten Sprünge überzeugend belegen kann, ist die außerordentliche Dringlichkeit der Sache.
    Diese Dringlichkeit scheint zunächst leicht begründbar: Menschen sind gestorben in der Blüte ihres Lebens, ihr Tod wäre vermeidbar gewesen, wenn Ursachen und Zusammenhänge bekannt gewesen wären, und der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, daß dergleichen in zunehmendem Maß weiter auftreten könnte. Bei den Toten handelt es sich um Opfer zweier verschiedener Gruppen von Ereignissen, die inzwischen in Berlin von lokalen Forschungskollektiven untersucht werden, im Langzeitversuch ATTACKE und bei Schlußfolgerungen aus dem Vorfall mit der Sekte der Flattermänner (Informationskennziffern siehe Anhang). Damit, nämlich mit der Gefahr für Menschenleben, wäre die Dringlichkeit nach meiner Meinung zwar hinreichend begründet, aber durchaus nicht erschöpfend behandelt. Sie erscheint hier, bei der direkten Ableitung aus praktischen Vorkommnissen, zunächst unter negativem Aspekt, auf die Verhinderung von Schaden gerichtet; die weitere Erläuterung des Sachverhalts wird jedoch zeigen, daß sie mindestens ebenso starke positive Aspekte hat. Und mehr noch: Wenn man die Merkmale der Augenblicklichkeit, der Direktheit fallenläßt, zeigt sich dahinter eine noch viel weiter reichende Dringlichkeit, die zwar keine Terminierung in sich trägt, aber gerade darum die Sorge aufkommen läßt, man möchte sich ihr nicht zu spät widmen, ihre Untersuchung nicht zu lange vor sich herschieben, damit nicht vielleicht die nächste Generation sich beklagen muß: Sie haben zu spät damit angefangen…
    Aber ich muß einräumen, daß das Besorgnisse sind, die sich, wenn überhaupt, erst nach Einblick in das gesamte Material einstellen können, und ich habe sie nur erwähnt, weil sie mich treiben, dieses Schreiben zu verfassen.
    Vor etwa einem halben Jahr hatte ich in meiner damaligen Eigenschaft als Zweiter Gehilfe des Regionalratgebers Mitteleuropa einen Todesfall zu untersuchen, bei dem Verdacht auf gewaltsame Einwirkung bestand. Ohne diesen – wie sich zeigte, zufällig entstandenen – Verdacht würde dieser Brief nicht geschrieben. Ich bin freilich überzeugt davon, daß dann bald ein anderer, ähnlich bediensteter Mensch einen ähnlichen Wortlaut zu Papier gebracht hätte, denn die Zeit dafür scheint mir reif zu sein.
    Dieser erste und Ausgangsfall ließ sich schnell ausweiten auf eine ganze Gruppe von Menschen: Leute um die Fünfzig, die lange Zeit unter starkem negativ-emotionalem Druck gelebt haben, sind bei Auftreten plötzlicher Freude für Herzversagen anfällig. Die systematische Untersuchung führte zu vorläufigen Ergebnissen, die hinsichtlich der Vorbeugung praktikabel, hinsichtlich der Ursachen aber noch sehr hypothetisch sind: Es wird die (vielleicht neu entstandene) Fähigkeit des Gehirns vermutet, steuernd einzugreifen auch in körperliche Prozesse, die bisher dafür unzugänglich waren oder weitgehend unzugänglich. Das gleiche Prinzip wird übrigens – mit positiver Wirkung – seit vielen Jahren im Selbstheilertum angewandt; verbunden sind beide Erscheinungen – wie

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