Kurs Minosmond
positiv geladenes Teilchen genau zum Zeitpunkt der Schrumpfung in den Mittelpunkt des Bläschens gelangt war, das ja – am Ende der bis dahin als höchste Lebensdauer angesehenen Minute – schon die Größe eines Riesenmoleküls erreicht hatte; wahrscheinlich hatte es sich um ein Proton, Deuteron oder Alphateilchen gehandelt. Diesen dann für mehrere Minuten stabilen Zustand hatte man als Haselnußmodell beschrieben, und er sollte nun wiederholt hergestellt, beobachtet und getestet werden. Zu diesem Zweck waren auch mehrere Teilchengeneratoren an das Faß montiert worden.
Das Haselnußmodell war nicht das einzige Resultat der Untersuchungen, aber über die anderen Ergebnisse gingen die Meinungen sehr auseinander, das Modell dagegen war einhellig verabschiedet worden.
Die neuen Experimente waren, wenigstens für den Anfang, von der unauffälligen Art: Der Computer steuerte sie nach Programm, und niemand erwartete aufregende Ergebnisse. Wahrscheinlichkeitsberechnungen aufgrund des Haselnußmodells besagten, daß viele hundert Durchläufe nötig waren, bis man mit einem positiven Ergebnis rechnen konnte – falls nämlich das Modell selbst der Wirklichkeit in genügendem Ausmaß entsprach.
So arbeitete die Anlage einige Tage lang ununterbrochen, jeweils nur von einem Menschen überwacht – was aber nicht bedeutete, daß der einsam und allein in der Zentrale saß. Es gab immer Neugierige, die sich einige Phasen eines bestimmten Durchlaufs näher ansahen oder auch irgendwelche anderen Berechnungen anstellten. Theoretiker und Experimentatoren waren nämlich durchaus nicht in jedem Fall verschiedene Menschen. Während Ruben nur Experimentator war und die Theorie zwar begriff, aber auf diesem Gebiet nicht schöpferisch wurde, gehörten zum Beispiel Esther und Akito zu denen, die das Haselnußmodell und den mathematischen Formelapparat, der es beschrieb, erarbeitet hatten, beide übrigens mit unterschiedlichen Meinungen darüber, wie es weitergehen würde. Ruben war ziemlich sicher, daß die beiden jetzt hier an Bord auch theoretisch weiterarbeiteten, sie sprachen zwar nicht darüber, aber sie hielten auch nicht geheim, was über ihre Bildschirme huschte, wenn sie rechneten, und so theoriefremd war er nun auch nicht, daß er sich nicht auf das eine oder andere hätte einen Reim machen können.
Sie kannten sich alle zu gut, um nicht eine mit dem Fortgang der Experimente wachsende gereizte Spannung zu spüren. Sie sprachen nur nicht darüber, weil sie fühlten, daß es noch nicht an der Zeit war. Mochte die Gereiztheit daher rühren, daß die gegensätzlichen Standpunkte sich verhärteten, oder daher, daß bisher immer noch keins der automatischen Experimente positiv ausgegangen war – in jedem Fall war es richtiger, das Ergebnis der ganzen Serie abzuwarten.
So kam es, daß sie immer mehr vereinzelten. Aber es bildeten sich keine Grüppchen wie sonst wohl, nur zu künstlerischen Darbietungen trafen hin und wieder alle die zusammen, die gerade wach waren.
Schließlich ließ es sich aber nicht mehr leugnen: Die Versuche waren längst über das von der Theorie gesetzte Maß hinausgeschritten, ohne daß die Stabilitätsstufe des Bläschens ein einziges Mal erreicht worden wäre. Alphateilchen, Protonen, sogar Deuteronen hatte man eingespeist, keins dieser „normalen“ Teilchen hatte mit dem Bläschen reagiert. Wie nun weiter?
Eine Ideenkonferenz sollte helfen. Zuerst kamen die naheliegenden Vorschläge: es mit anderen Teilchen zu versuchen, Mesonen, schwereren Kernen und so weiter. Das alles hatte freilich jeder schon vorher für sich bedacht, alle diese Möglichkeiten hatten den Nachteil, daß man sie mit der im Augenblick greifbaren Technik nicht realisieren konnte. Man wäre gezwungen gewesen, nach Gagarin zurückzukehren und die entsprechenden Vorrichtungen zu holen, in einzelnen Fällen gab es die nicht einmal, sie hätten erst gebaut oder umgebaut werden müssen.
Wie immer trat nach diesen sozusagen vernünftigen, auf der Hand liegenden Vorschlägen eine Pause ein, und alle warteten auf die verrückten Ideen, die Anstoß zum Weiterdenken liefern sollten. Endlich sagte einer: „Wenn das Vieh nichts fressen will, jagen wir’s in den Wald, soll es selbst suchen, was ihm schmeckt!“
Die Idee zündete. Das konnte man versuchen. Der Wald – das wäre ein Target aus verschiedenen Stoffen oder, besser noch, ein Wasserstofftarget, metallische Phase, mit speziellen Verunreinigungen dotiert, ein kleines
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