Kurs Minosmond
selbstverständlich, ein winziges, für menschliche Begriffe, aber für das Bläschen riesengroß wie ein Wald.
Die Vorbereitungen dauerten nur einige Stunden. Man mußte das Target herstellen und zur Anlage bringen, während ein paar andere inzwischen die Magnetfelder umprogrammierten, damit sie das Target auch hielten, sozusagen als Stöpsel auf der Magnetflasche.
Die Aussichten, damit etwas zu erreichen, wurden freilich unterschiedlich beurteilt. Einige meinten, es werde gar nichts passieren, andere rechneten – wenigstens vorsichtshalber mit einer Kettenreaktion, die das Target verpuffen würde. Aber da sie alle Experimentatoren waren, spalteten diese unterschiedlichen Erwartungen sie nicht auf, sondern vereinten sie im Gegenteil in bester wissenschaftlicher Neugier. Die Gereiztheit war überwunden, die Spannung geblieben.
Obwohl auch dieser Versuch automatisch gesteuert ablief, saßen alle an ihren Plätzen. Das Bläschen wurde emittiert, bestrahlt und nach Ablauf der Minute in Richtung auf das Target beschleunigt. Aber es explodierte vorher. Mit solchen Fällen hatte man gerechnet – es gab keine Anzeichen, die die kurzzeitige Schrumpfung des Bläschens vorher ankündigten, und die Existenzdauer schwankte immer noch um Sekunden, auch bei völlig identischem Ablauf, so daß man schon einige Bläschen bewegen mußte, ehe man erreichen konnte, daß die Schrumpfung im direkten Kontakt mit dem Target auftrat.
Der zweite und der dritte Durchlauf schienen das gleiche negative Ergebnis zu bringen, und nur Ruben, der mehr aus Gewohnheit und Wiederholung die Zeitlupe einschaltete, bemerkte, daß da etwas anders war. Auf seinen Hinweis hin studierten sie die zwei letzten Sekunden systematisch. Sie teilten die Meßwerte untereinander auf und gingen in Millisekundenschritten vorwärts. Das war ein unerhört anstrengendes Unternehmen; zwei Sekunden haben zweitausend Millisekunden, und wenn sie für jeden Schritt nur eine Sekunde brauchten, so dauerte das Ganze eben mehr als drei Stunden – das heißt, so lange würde es gedauert haben, wenn das Bläschen sich normal verhalten hätte. Aber schon nach einer Dreiviertelstunde stießen sie auf die erste Abweichung. Sie hielten den Ablauf an, machten eine Pause und verteilten die Rollen neu. Eine Gruppe kontrollierte fortlaufend die abweichenden Größen des Versuchsprotokolls, die zweite Gruppe suchte die entsprechenden Größen in den Anlageprotokollen.
Auch jetzt ging es sehr langsam vorwärts, aber nach einigen Minuten begann sich abzuzeichnen, was die Abweichungen in den Meßwerten bedeuteten: Das Bläschen wurde einige Nanometer vor dem Target gebremst. Das war zwar unerwartet, aber kaum sensationell, dafür, so schien es zuerst allen, ließen sich quantenmechanische Erklärungen finden, denn in diesem Größenbereich des Bläschens übten derartige Prozesse im Target immer noch einen meßbaren Einfluß aus.
Nun setzte auch die Schrumpfung ein, und sie verkleinerten die Zeitschritte und ließen sie dafür schneller ablaufen. Es zeigte sich, daß das Bläschen genau zum richtigen Zeitpunkt auf das Target traf, aber dann geschah etwas, was mit Quanteneffekten kaum noch zu erklären war: Das Bläschen wurde nicht nur gebremst, sondern elastisch gestreut. Danach verschwand die Schrumpfung, und das Bläschen explodierte.
Der nächstliegende Schritt bestand jetzt darin, die Kraft, die das Bläschen in Richtung Target beschleunigte, zu erhöhen, um die seltsamen Abstoßungskräfte zu überwinden. Während Esther das programmierte, löste Akito mit Hilfe der anderen die schwierigere Aufgabe, ein Indikatorprogramm zu schaffen, das anzeigte, ob das jeweilige Bläschen zum richtigen Zeitpunkt, nämlich bei Schrumpfung, auf das Target getroffen war – damit man nicht jeden nun folgenden Versuch auf die gleiche zeitraubende Weise kontrollieren mußte.
Wieder dauerte es eine halbe Stunde, bis das Indikatorprogramm etwas anzeigte. Noch sorgfältiger prüften sie die Protokolle, und als Esther mitten in dieser Prüfung plötzlich eine Pause vorschlug, wunderten sich zunächst die anderen, dann rieben sie sich die Augen und stellten fest, daß auch sie ziemlich erschöpft waren. Bei Konzentrationslücken hatte es aber keinen Sinn, weiter die Protokolle zu prüfen, zu groß war die Gefahr, daß einer etwas übersah.
Sie absolvierten ein Krafttraining, wie es bei länger anhaltender Schwerelosigkeit üblich war, hörten etwas beruhigende, bebilderte Musik und ruhten eine
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