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Kurs Minosmond

Kurs Minosmond

Titel: Kurs Minosmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Frau Kilian an. „Wenn Sie mögen?“ Das klang wieder unsicher.
    „O ja, sehr gern!“ sagte Pauline, fast begeistert, und das war sie in diesem Augenblick auch, ihre Augen und ihr Gesicht überzeugten wohl die andere davon.
    Das Atelier war ein größerer Raum innerhalb der Wohnung, der größte wahrscheinlich, eine Ecke war vom Modell einer Bühne eingenommen, die anderen standen voll mit Arbeitstischen, Pulten und Schaltschränken verschiedenster Bestimmung. Frau Kilian gab Pauline eine Schutzbrille, die die Augen nach den Seiten hin abschirmte, und setzte selbst eine auf. „Im Theater brauchen Sie die natürlich nicht, aber hier im Atelier sind sie notwendig, als Schutz vor reflektiertem Laserlicht. Am besten, ich spiel Ihnen ein Stück Film vor von einer unserer ersten Inszenierungen mit holographischem Bühnenbild, es ist sozusagen ein Standardwerk, mit dem alle anfangen.“ Sie schaltete, und auf der kleinen Bühne erschien, ungefähr im Maßstab eins zu fünf ein vorgeschichtliches Bürozimmer mit einem entsprechenden Beamten – so hießen die damals –, der an einem alten Schreibtisch saß und mit irgendwelchen Akten hantierte.
    „Hologramm sind die Wände, links, rechts und hinten, passen Sie auf, jetzt!“
    Durch die Hinterwand gesteckt, erschien plötzlich ziemlich weit oben der Kopf eines anderen, ähnlich frisierten Beamten, der den unten sitzenden mit Schimpfworten traktierte und ihm dann die Zunge herausstreckte.
    Pauline lachte hellauf. „Der Mann, der durch die Wand ging“, sagte sie dann. „Nach Aimee.“
    „Sie kennen das Stück?“ fragte Elsbetha Kilian.
    „Nein, nur die Novelle“, sagte Pauline. „Für solch einen Trick ist ja ein Hologramm geradezu ideal. Aber ausgeschöpft sind die Möglichkeiten damit doch wohl nicht?“
    Nein, im Gegenteil, das sei nur der einfache Anfang, sozusagen das Tauglichkeitszeugnis ihrer Kunst, erklärte Frau Kilian, und nun wurde nach Herzenslust gefachsimpelt. Pauline war wirklich tief interessiert und wollte so gern etwas von hier mitnehmen, etwas Fachliches, daß sie manchmal vergaß, wozu sie eigentlich hergekommen war. Sie erfuhr, daß das Hologramm durchaus nicht nur statisch und auch nicht nur real abbildend verwandt wurde. Der Holographikerin waren dynamisch-abstrakte Farb- und Linienspiele am liebsten, freilich nicht als Selbstzweck, sondern der dramatischen Situation, den Spannungen und Konflikten zugeordnet, auch untergeordnet, ja wenigstens in dem Sinne, daß ihre Kunst den grundlegenden Entwicklungen des Textes oder neuerdings auch der Musik folgte. Sie führte Beispiele vor, und im Nu waren zwei Stunden vergangen.
    Paulines Zwischenfragen mußten wohl so klug und zugleich so ehrlich gewesen sein, daß sie die Sympathie der Elsbetha Kilian gewonnen hatte. Aber mit ihrer nächsten Frage schien sie danebengegriffen zu haben.
    „Woran arbeiten Sie jetzt?“ fragte sie. Elsbethas Gesicht spannte sich, ihr Blick ging an Pauline vorbei ins Leere. Erst nach einer ganzen Weile, als die Ordnerin sich schon eine neue, ablenkende Frage überlegte, antwortete die Holographikerin. „Ich kann nicht mehr arbeiten“, sagte sie. „Mir gelingt nichts mehr. In der Kunst.“ Sie sprang plötzlich auf und schaltete. „Sehen Sie, hören Sie!“ rief sie fast theatralisch anklagend.
    Pauline sah und hörte. Hörte eine zeitgenössische Sinfonie, die ihr nicht unbekannt war, aber auch nicht zu ihren Lieblingsstücken zählte, und sah, wie sich das Licht auf den drei Seiten der Bühne bewegte, die in diesem Fall wohl ein Modell des Zuschauerraums war, sah, wie Licht und Schatten miteinander spielten, Farben auftauchten, sich mischten und wieder verschwanden, und das Ganze ließ sie unbeteiligt.
    „Wie ist Ihr Eindruck?“ fragte Elsbetha so hoffnungslos, als wisse sie die Antwort im voraus.
    „Ich finde, das Licht fügt der Musik nichts hinzu“, antwortete Pauline ehrlich.
    „So ist es, so ist es“, rief die Holographikerin. „Es wird eben nichts, mir ist nicht mehr zu helfen. Auch Sie können mir nicht helfen.“
    „Ich wollte Ihnen gar nicht helfen“, sagte Pauline ruhig. Jetzt mußte sie die Stimmung der anderen brechen, Aktivität fordern, sonst würde das entstandene Vertrauen wirkungslos abklingen.
    „Nicht?“ fragte Elsbetha, für einen Moment verdutzt. „Aber – ach ja, Sie wollten…“
    „Daß Sie mir helfen. Uns.“
    „Jaja, ich erinnere mich, Sie haben so was gesagt am Anfang, als sie kamen, ich hab’s nicht verstanden,

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