Kurs Minosmond
entschuldigen Sie – wissen Sie was? Wir gehen ins Wohnzimmer, ich mach uns einen Kaffee, und dann – fragen Sie mich, ich werde versuchen… Kommen Sie.“
Beim Kaffee begann Pauline noch einmal von vorn, diesmal allerdings spürte sie, daß die andere zuhörte.
„Wir untersuchen eine Reihe ähnlicher Fälle, bei denen Menschen um die Fünfzig herum plötzlich und eigentlich grundlos einem Herzversagen erlegen sind. Angefangen hat es mit einem Fall in meinem Dorf, wo ich Ordner bin, und wir sind nur dadurch draufgekommen, weil dieser Fall zuerst wie ein gewaltsamer Tod aussah. Wir fürchten aber, daß irgend etwas dahintersteckt, etwas Unbekanntes. Etwas, was die Ärzte nicht wissen. Es gibt nämlich in der Statistik des Herzversagens ein deutliches Maximum bei etwa fünfzig Jahren. Wir können nur weiterkommen, wenn wir möglichst viele Fälle genau untersuchen. Sie können natürlich ablehnen, wenn es Ihnen zu schwer fällt, darüber zu sprechen, ich meine, über die ganz konkreten Vorgänge beim Tod Ihres Gatten.“
„Kannten Sie den Mann gut, da in Ihrem Dorf?“
Pauline zögerte. Dann aber entschloß sie sich, ihr Engagement nicht zu verbergen. „Ja. Vor einem Jahr war er noch – mein Geliebter.“
Elsbetha Kilian trank den letzten Schluck aus ihrer Tasse. „Es ist gut, daß Sie das gesagt haben“, meinte sie dann. „Das macht es mir leichter, über ein paar Dinge zu sprechen, die in diesem Zusammenhang wichtig sein können. Aber dazu sollten wir in seine Wohnung gehen.“
„In seine Wohnung?“
„Ja, wir waren erst ein halbes Jahr verheiratet und noch nicht ganz und gar zusammengezogen. Meist haben wir hier gelebt, aber mit der endgültigen Regelung haben wir noch gewartet – ich, weil ich an meinem Atelier hing, und er, weil er sich mit der Weitergabe seiner Möbel noch nicht schlüssig war. Und jetzt muß ich auch erst noch eine Menge Dinge regeln, bevor ich die Wohnung frei melde. Im Moment hab ich noch gar nicht die Nerven dazu. Kommen Sie, es ist gar nicht weit.“
Sie gingen eine verkehrsfreie Straße hinunter, auf der Kinder Fußball spielten, und überquerten eine Allee, die in der Mitte zwei Reihen schöner alter Bäume und dazwischen einen Sandweg für Spaziergänger hatte. Zwei Fahrbahnen auf jeder Seite reichten anscheinend auch in Spitzenzeiten für den Individualverkehr; jetzt waren sie fast unbefahren. „Hier im Stadtkern ist wohl lange nichts mehr verändert worden?“ fragte Pauline. „Man sieht’s an den Bäumen.“
„Ja, seit der großen Restaurierung vor knapp hundert Jahren soll sich hier nicht mehr viel geändert haben. Damals wurde das Pipelinesystem für den Gütertransport fertiggestellt und die U-Bahn zum letztenmal erweitert. Interessiert Sie das?“
„Wenn ich etwas sehe, möcht ich immer wissen, wie es geworden ist“, gestand Pauline. „Man kriegt es zwar selten ganz raus, die wirkliche Entwicklung ist immer vielseitiger gewesen, als man nachlesen kann, aber spannend ist es doch. Stammen Sie von hier?“
„Ja, meine Großmutter hat mir noch davon erzählt, muß ja schlimm gewesen sein, die ganze Allee eine Baugrube, das heißt die ganze nicht, sie haben wohl im Takt gearbeitet, immer fünfhundert Meter freigelegt, fünfhundert Meter gebaut und fünfhundert Meter zugeschüttet und bepflanzt und so weiter. Irgendein entfernter Großonkel von mir soll da auch mitgearbeitet haben. Wenn es Sie interessiert, es gibt im Stadtarchiv bestimmt Berichte und Reportagen.“
„Ich frag mich, wie man heute so was machen würde“, sagte Pauline nachdenklich. „Ich komm ja nun vom Dorf und kann mir das kaum vorstellen, aber irgendwann und irgendwo ist doch sicherlich auch heute solche Restaurierung notwendig. Und ganz automatisch geht das wohl auch nicht. Mit Zweistundendiensten ist das doch nicht zu machen!“
„Ja, man merkt, daß Sie vom Dorf sind. Ich meine das nicht böse, bestimmt ist da vieles schöner als hier in der Stadt – aber hier gibt es eben immer genügend junge Leute, die vielleicht ein Jahr lang drei oder vier Dienste am Tag leisten und dann drei oder vier Jahre in der Welt herumreisen.“
„Das müssen sie doch nicht“, sagte Pauline verwundert.
„Es ist aber üblich“, war die Antwort. „Wer nimmt schon gern, ohne zu geben. Übrigens, haben Sie es sehr eilig? Ich würde am liebsten mal…“ Sie zeigte auf eine Boutique.
„Aber bitte, gern, ich komme mit rein, vielleicht kann ich noch etwas vom hauptstädtischen Chic
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