Kurt Ostbahn - Blutrausch
auseinander und streicht sie glatt.
„Warum ich Sie ursprünglich sprechen wollte, Herr Doktor“, wechselt er mit Erhalt einer Flasche Gösser das Thema. „Sagt Ihnen einer der Namen was?“
Ich überfliege die Liste von zirka hundert Namen und Adressen aus dem gesamten Bundesgebiet und finde darunter gut ein Dutzend, das jeder in diesem Lande kennt.
„Bekannt aus Film, Funk und Fernsehen“, sagt Brunner. „Die meine ich nicht. Schaun S’ noch einmal genauer.“ „Naja“, sage ich nach nochmaliger Durchsicht. „Der Christian Nagy ist, glaub ich, der Gschwinde und spielt bei ‘Mom & Dead’ Gitarre, der Tobias Kern is dort Schlagzeuger. Und der Turnstaller, genannt Turbo, ist ein alter Freund der Trainer-Familie, ein verläßlicher Bassist und Nachfolger des verblichenen Ludwig Auer. Aber was is das für eine Liste?“
„Die hat mir die Frau Tomschik freundlicher Weise überlassen“, sagt Brunner. „Das ist die Einladungsliste zu ihrer Party oder Modenschau, oder was weiß ich.“
Skocik kommt wie gerufen. Er sucht das Klo und findet, was er sucht, in der Küche. „Da schau her, der Herr Ostbahn. Frisch is anders. Ham wir uns letzte Nacht ein bißl übernommen bei der Frau Tomschik, was?“
„Ich nicht“, sage ich. „Und daß Sie auch da waren, is mir gar nicht aufgefallen.“
Skocik lacht braungebrannt und sieht aus, als hätte er seinen Krankenstand für einen Weekend-Flug auf die Kanarischen Inseln genutzt. Oder aber es gibt für Bundesbedienstete bereits Solarium auf Krankenschein.
„Übrigens eine fesche Frau, die Tomschik. Und blitzgescheit noch dazu“, sagt Brunner nicht zum ersten Mal. Er hat eindeutig eine Schwäche fürs Hantige.
„Sie haben keine Einladung gekriegt für morgen?“ fragt Skocik.
„Steh ich auf der Liste?“ sage ich. „Ich hör von der Party grad das erste Mal.“
„Als alter Freund des Hauses?“ Skocik zieht zweifelnd die Augenbrauen hoch.
„Ich hab die Tomschik am Samstag das erste Mal in meinem Leben gesehen. Live. Mit ihrer Band, und nachher beim Wirten.“
„Und weil’s beim ersten Mal so schön war, haben Sie die letzte Nacht gleich mit ihr durchge-, mit ihr durchsaufen müssen. Verstehe.“
Skocik grinst affig und setzt dann seine Suche nach dem Häusl fort. Gerade zum richtigen Zeitpunkt, denn noch eine seiner schwachsinnigen Meldungen, und ich hätte meine gute Kinderstube vergessen.
„Was is los mit dem Volltrottel?“ frage ich Brunner.
„Er mag die meisten Leut erst, wenn sie tot sind“, sagt er und leert das Gösser in einem langen Zug. „Und die Tomschik mag er überhaupt nicht.“
Mir völlig unverständlich, wo sie ihm doch sogar ein so intimes Geheimnis wie das der Farbe ihrer Unterwäsche verraten hat, ohne daß er lang danach fragen mußte.
„Der Skocik meint, ohne die Tomschik gäb es heute zwei Leichen weniger. Und das wär arbeitstechnisch eine große Erleichterung.“
„Die Tomschik?“ sage ich. „Den Wickerl? Und diesen Steve? Was hätt sie davon? Tote zahlen keine Schulden. Und produzieren, so viel ich weiß, nur ganz selten Platten.“ „Neinein, Herr Doktor. Nicht daß sie selber, eigenhändig. Das meint er nicht. Der Skocik is, auch wenn Sie ihn nicht mögen, was ich ganz gut verstehen kann, in dieser Angelegenheit ganz auf Ihrer Seite.“
Brunner spricht, was sonst nicht seine Art ist, in Rätseln. Wenn ich in dieser unsäglichen Angelegenheit auf einer Seite stehe, dann ist das meine. Und da ist für Leute wie Skocik garantiert kein Platz.
„Auf meiner Seite?“ sage ich. „Und wie schaut die aus? Nur, damit keine Mißverständnisse aufkommen,“
„Ihre Theorie, Herr Doktor“, sagt Brunner.
Ich kann mich zwar an keine Theorie erinnern, mit der ich die Sympathien von Skocik errungen hätte, und wenn es eine geben sollte, dann muß sie im Zustand geistiger Umnachtung entstanden sein. Aber nachdem heute mein Erinnerungsvermögen und ich auf ziemlich wackligen Beinen durchs Leben gehen, nicke ich vorsichtshalber grüblerisch und hole Brunner und mir die letzten beiden Gösser aus dem Eis.
„Was halten Sie eigentlich davon? Is da was dran? Theoretisch?“ sage ich so beiläufig wie möglich.
„Wird sich weisen“, sagt Brunner.
So viel ich weiß, hatte er immer schon einen wahnsinnigen Mörder im Auge, der im Blutrausch wahllos junge Männer schlachtet und sich deren Herz als Souvenir mit nach Hause nimmt. Einen Kranken wie Freund Elmore aus Tulsa, Oklahoma.
„Mein Mörder und ihr Mörder, Herr
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