Kurt Ostbahn - Blutrausch
und seine erhitzten Mitspieler geben ihm gleichzeitig die widersprüchlichsten Kommandos.
„Ich tu was ich kann“, weist er die Spielrunde zurecht, „aber so geht’s wirklich nicht!“
Und dann sein Spruch zum Tag: „Immer eins nach dem andern.“
Auf leisen Sohlen, um die Herren durch mein plötzliches Auftauchen nicht noch mehr aus der Fassung zu bringen, setze ich den Weg zur Toilette fort und muß dabei an meine Mutter denken: Anläßlich eines ihrer seltenen Konzertbesuche - ich glaub, der Auftritt fiel mit meinem vierzigsten Geburtstag zusammen - sagte sie, als sie nach der Show in meine Garderobe kam und ihren Sohn verschwitzt und schwer gezeichnet von drei Stunden Tanzen und Singen auf dem Klappbett liegen sah: „Wie die Kinder. Ihr Männer werds euer Lebtag nicht erwachsen.“
Müttern fehlt vielleicht der nötige Abstand zu einer objektiven, fundierten Konzertkritik, aber manchmal sagen sie Sachen, die der Wahrheit ziemlich nahe kommen.
Die vielen schlaflosen Nächte, die Trainer und Trash mit ihrem eisernen „ Felix“ oder „ Helix“ am Computer verbringen, weisen sie nicht gerade als besonders vernunftbegabte, erwachsene Menschen aus. Was man Lebenskünstlern und Privatgelehrten jedoch nicht zum Vorwurf machen sollte.
Aber daß auch die beinharten Profis Brunner und Skocik wie die Kinder, und noch dazu in ihrer Dienstzeit, mit der Maus Jagd auf den virtuellen Mörder machen, stärkt mein Vertrauen in die Schlagkraft der Exekutive nicht sonderlich.
„Wieder frisch und munter, Herr Doktor?“ sagt Brunner, als er mir im Vorzimmer, angelockt durch das Rauschen der Klospülung, entgegenkommt. „Wirklich beachtlich, was Sie und die Herrn Kollegen in der kurzen Zeit auf die Beine gestellt haben. Alle Achtung.“
„Ahja?“ sage ich vorsichtig. „Gfallt’s Ihnen?“
Brunner ist beeindruckt. Und nicht mehr (oder noch nicht?) böse, daß drei blutige Amateure den Professionisten vom Sicherheitsbüro seit Tagen ins Handwerk pfuschen. Im Gegenteil. Brunner findet es bemerkenswert, wenn nicht sogar vorbildhaft, mit wie viel Einsatz, Verve und Umsicht ich seiner Bitte, mich doch in meiner Welt nach wichtigen Hinweisen umzuhören, Folge geleistet habe.
„Das war ganze Arbeit“, sagt er. „Ganze Arbeit.“
Als flexibler Mensch freut man sich natürlich über so viel Lob aus berufenem Munde. Aber ich vergesse auch nicht, den Eifer von Trainer, Doktor Trash und ihrem besten Freund, dem Computer, zu würdigen. Brunner sieht das ähnlich, meint aber, ohne die Verdienste meiner Expertengruppe schmälern zu wollen, daß es letztendlich immer der Hartnäckigkeit, um nicht zu sagen Besessenheit, eines führenden Kopfes bedarf, um eine Operation wie diese zu ihrem erfolgreichen Abschluß zu bringen.
„Hmm“, sage ich.
War ja doch kein Fehler, dem Kollegen Skocik Telefonnummer und Adresse meines heutigen Termins ins Telefon zu brüllen, ehe die Verbindung endgültig Opfer eines mittleren Seebebens wurde. Denn das Auftauchen der beiden Krimineser während meiner Mittagsruhe hat nicht nur einige Unklarheiten, unser privatdetektivisches Vorgehen betreffend, ausgeräumt, sondern scheint auch auf spielerischem Wege zur Ergreifung oder zumindest Umzingelung des Schlächters von Sechshaus geführt zu haben.
Und ich weiß wieder einmal von garnix.
Brunner ist mir im Moment keine große Hilfe. Während er mich in die Küche begleitet, wo der Doc theoretisch noch ein paar Flaschen Bier vorrätig haben müßte, beklagt er sich über den antiquierten Gerätepark, der ihm für eine moderne Verbrechensbekämpfung zur Verfügung steht, und lobt sich halt das Equipment des Doktor Trash und des deutschen Bundeskriminalamtes.
Die Kollegen in der Piefkei haben innerhalb einer halben Stunde in dem nach den Angaben von Ederl dem Großen angefertigten Phantombild von Rudis Mörder den international zur Fahndung ausgeschriebenen Ulrich Höhne erkannt: geboren in Dresden, einst Mitglied einer DDR-Olympiastaffel im Hürdenlauf, dann auf die schiefe Bahn geraten und in Hehler- und Schieberkreisen im goldenen Westen Karriere gemacht als Mann fürs Grobe.
„Der is Gottseidank nimmer unser Bier“, sagt Brunner. „Den erledigen die Deutschen. Über kurz oder lang. Seiner letzten Verhaftung hat er sich entzogen, indem er in Hamburg eine Funkstreife in der Alster versenkt hat. Inklusive Besatzung.“
„Auch ein Bier?“ sage ich.
Brunner nickt, zieht zwei Zettel aus der Tasche, faltet sie auf dem Küchentisch
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