Kurt Ostbahn - Kopfschuss
Verwünschungen murmelnd, aus seiner Gaststätte. Er muss die Oma vom Friedhof holen, weil die verfluchten Gringos aus dem Paraiso plötzlich Sonderwünsche haben. Mit dem Duke war eine kalte Jause für neun Personen vereinbart, aber die Herrschaften aus New York haben von der Bewegung an der frischen Luft einen Bärenhunger und jetzt soll die Oma so richtig aufkochen. Das bringt der Familie zwar Extradollars, aber mit der Oma ist nicht zu spaßen, wenn sie auf der Friedhofsparty bereits zu viel getankt hat.
„Die stellt den Gringos einen Topf machaca hin, dagegen waren die chilaquiles, an denen du beinah gestorben wärst, loco, so mild wie Babyfutter! Und wer ist schuld, wenn den Arschlöchern danach eine Woche lang der Hintern brennt? Ich bin schuld! Emilio ist schuld! Emilio muss sich mit dem Duke hinstellen, oder mit Senora Regina höchstpersönlich, und muss sich sagen lassen, dass die vornehmen Gäste über Emilios Höllenfraß geklagt haben, weil er ihre Darmflora auf Jahre zerstört hat! Und Emilio muss sich Drohungen anhören, dass der Wüstenritt des Paraiso nicht mehr nach Tres Gruces führen wird, wenn noch einmal diesbezügliche Reklamationen kommen, sondern nach San Isidro zu Miguel, diesem Arschkriecher und Schleimscheißer, der seit drei Wochen einen chinesischen Koch in der Küche stehen hat, weil ihn der billiger kommt als eine eigene Familie!“
Emilio erwartet keine tröstenden Worte. Er stapft fluchend davon in Richtung Friedhof, auf dem soeben La Paloma gesungen wird, jene ewige Melodie, mit der auch Maximilian I., der mexikanische Kaiser österreichischer Provenienz, sein glückloses Dasein auf Erden beendet hat.
Ich bin noch mit der Verarbeitung von Emilios gastronomischen Problemen beschäftigt, als sich mit dem langen breiten Schatten des Duke der nächste Konflikt ankündigt. „Wusste gar nicht, dass Tres Gruces neuerdings einen eigenen Dorfarzt hat, John“, sagt der Duke.
„Hat das Rezept angeschlagen?“, erkundige ich mich. „Kommt drauf an. Der kleine Sam frisst da drinnen wie ein Kutscher und säuft Mezcal wie ein Loch. Entweder er krepiert mir auf dem Rückritt im Sattel oder er wird durch dich ein neuer Mensch.“
„Wem darf ich meine Honorarnote schicken?“
Der Duke lacht und das hört sich an wie das Knarren eines alten Bretterbodens.
„Apropos Honoramote“, sagt der Duke und ist ganz plötzlich ganz ernst. „Ich muss morgen rauf nach San Antonio. Wenn ich dir einen gesundheitlichen Rat geben darf, John oder
Kurt oder wie auch immer du heißt: Vergiss deinen Mietwagen und komm mit mir!“
„Im Hubschrauber?“
„Da bringen mich keine zehn Pferde rein. Nein, wir nehmen die Limousine. Und wir schauen in Nuevo Laredo bei Alfonso vorbei, der sich bestimmt mächtig freuen wird, dich und die zweitausendfünfhundert Dollar wiederzusehen.“
Ich hab gleich gewusst, es gibt Probleme. Man kann nicht einfach nach Mexiko fahren, um den Trainer und eine gewisse Linda zu suchen, in der Wüste eine Panne mit dem Mietwagen haben, sich zu Fuß in die nächste menschliche Ansiedlung retten, dort für einen Auftragskiller namens John Smith gehalten werden, der Auftraggeberin in ihrem Luxushotel als ein John Smith aus Vivien Naustria gegenübertreten und schließlich auf Anraten eines alten Cowboys den Auftrag, den man nie angenommen hat, weil man ja kein Auftragskiller ist, wieder stornieren und nach Hause fahren. Das kann man in Mexiko einfach nicht tun. Da kriegt man unweigerlich Probleme.
„Was ist das Problem?“, erkundigt sich der Duke, weil ich die längste Zeit schweige.
„Das Problem ist sozusagen komplex“, sage ich. „Erstens bin ich nicht John Smith, zweitens frage ich mich eigentlich minütlich, wann der echte John Smith in mein Leben tritt, um es mit einem Kopfschuss auszulöschen, und drittens hab ich keine zweieinhalbtausend Dollar, die ich dem mir nur aus Emilios Erzählungen bekannten Alfonso, seinem Bruder und Nachtportier in Nuevo Laredo, aushändigen könnte.“ „Klar bist du nicht John Smith“, brummt der Duke. „Wer heißt schon gern John Smith? Ist fast so schlimm wie John Doe. Aber den Rest kapier ich nicht. Wenn es um das Geld geht, John . . .“
„Kurt. Kurt Ostbahn.“
„Ist das finnisch?“
„Ich komme aus Vienna, Austria. Das ist in Europa, und ich bin nicht hier, um diesen Ramon, offenbar einer der letzten
Desperados des Nordens, gegen Honorar umzubringen. Ich bin Musikant und unbewaffnet. Ich hab nur, wie du weißt, einen Mann
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