Kurt Ostbahn - Kopfschuss
führen, nicht in der Bonygasse, sondern in Payerbach an der Rax ...“
„... wo er ja im Haus seiner Großmutter aufgewachsen ist“, zitiert der Doc aus den Polizeiakten, „nachdem seine Eltern bei einem Lawinenunglück im März 1982 ums Leben gekommen sind.“
„Roman, der gläserne Untote“, sage ich im Spaß zu Roman, mit einem wissenden Blick in Richtung Doktor Trash, um dessen rüden, pietätlosen Ton etwas zu entschärfen. Was vielleicht in der Wortwahl auch nicht ganz astrein gewesen sein mag, aber was, bitte schön, sagt man im Scherz zu einem jungen Menschen, der seit ein paar Stunden damit leben muss, tot zu sein?
Gleichzeitig hat der Doc eine nonverbale Auseinandersetzung mit Melanie, die ihm eben vorhin diskret, aber trotzdem gut sichtbar den ausgestreckten Mittelfinger gezeigt hat. Aber um die wirklich abgründigen Kapitel im sinistren Leben des Doktor Trash zu erhellen, sind wir hier nicht zusammengekommen.
Der Trainer erzählt unterdessen ausnahmsweise kurz und bündig, dass ihn Romans Teneriffa-Anruf aus Payerbach dazu veranlasst hat, in aller Eile das Notwendigste in eine Reisetasche zu packen und loszufahren, nicht ohne Melanie am Matzleinsdorfer Platz schweren Herzens aus der froschgrünen Rostlaube zu entlassen.
„Und was habt ihr dann im schönen Payerbach gemacht?“, fragt der Doc.
„Allerhand“, sagt der Trainer. „Aber nix Böses. Im Gegenteil. Der Roman und ich haben gearbeitet wie die Blöden. Tag und Nacht. Wir sind im Haus seiner Oma gesessen, wo einem niemand telefonisch oder sonst wie auf den Geist geht, ich hab geschrieben und der Roman hat die Szenen übersetzt. Wir hatten zwar einen Mörderstress, aber wir haben es termingerecht geschafft. Und wie man sieht, ist keiner von uns dran gestorben. Wäre dem so, bräuchte ich jetzt nicht dringend die zwanzig Blauen von dir, Kurtl. Die sind nämlich Romans Honorar fürs Übersetzen, die vielen Telefonate nach Santa Cruz und das Dolmetschen, wenn er mit uns nach Teneriffa fliegt. Außerdem kriegt er eventuell günstige Flüge über eine Bekannte bei der Iberia. Da landen wir zwar in Los Rodeos, im Norden, aber wir zahlen nur ein Drittel.“
„Sehr schön“, sagt der Doc. „Bei diesen Filmszenen handelt es sich vermutlich um unsere Verfolgungsjagd des falschen Bertl durch die faszinierenden Vulkanwüsten der Canadas, die im Hitzschlag so eindrucksvoll und realitätsgetreu dokumentiert ist?“
„Nein, Doc“, sagt der Trainer und lacht fröhlich. „Es geht nicht um den Hitzschlag, sondern um die Film-Musical-Fassung von Kopfschuss.“
Der Trainer ist fürwahr ein Mann der Überraschungen. Nicht nur, dass er mit einem lebenden Toten am Fuße der Rax (endlich) seine Spanisch-Kenntnisse verbessert, nein, in seinem Kopf rumort offensichtlich auch der kühne Plan, aus einer seiner unvollendeten Räuberpistolen und Blutopern ein Leinwand-Singspiel internationalen Zuschnitts zu machen.
Es gehört vielleicht nicht unmittelbar zum Thema des Abends, aber ich will unbedingt wissen, ob ich mich eben eh nicht verhört habe:
„Hast du Kopfschuss gesagt, Trainer? Und Film-Musical?“ „So was wie Singing in the Rain? Ein Amerikaner in Paris? My Fair Lady?“, gibt auch der Doc seiner Verblüffung Ausdruck.
„Fred Astaire, Gene Kelly, Judy Garland?“, staunt Melanie. „Ja, in dieser Tradition, aber natürlich mit heutigen und bescheideneren Mitteln. Deswegen auch Teneriffa. Die Story spielt zwar im Norden von Mexiko, aber das kannst du dir als Drehort abschminken. Viel zu weit weg und daher viel zu teuer. Außerdem gibt es Gegenden auf Teneriffa, die schauen, wie wir aus eigener Erfahrung wissen, mexikanischer aus als Mexiko. Ich mein, der Sergio Leone hat seine Clint-Eastwood-Western auch nicht in den USA gedreht, sondern in Spanien. Und Winnetou und Old Shatterhand sind im ehemaligen Jugoslawien Hand in Hand in den Sonnenuntergang geritten“, meint der Trainer und staunt dann über unser aller Staunen. „Is irgendwas?“
„Erstaunlich“, sage ich nach einer längeren Nachdenkpause. Der Doc und Melanie pflichten mir stumm nickend bei.
Nur Roman, der nicht vom Fach ist, und außerdem mit dem Wahnsinn des Trainers in den letzten Tagen zwanzig Blaue verdient hat, staunt nicht mit.
„Wer behauptet eigentlich, dass ich tot bin?“, fragt er in die Runde.
„Das Fernsehen in dem lokalen Nachrichten-Magazin Burgenland heute, die Tageszeitungen und der zentrale Polizei-Computer, wobei diese Informationsquelle auf, sagen wir,
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