Kurtisanen leben gefährlich
der Artistafürstin ertragen zu müssen und vor allem, ein Haus mit Ophélie zu teilen. Trotzdem sah ich die Notwendigkeit ein.
Ich war mir sicher, dass man mir die Ungeduld ansehen konnte, und bemühte mich deshalb, eine möglichst gleichmütige Miene zur Schau zu tragen, die meine Gefühle so lange verbarg, bis ich endlich allein sein konnte. Es gab einiges zu tun, sobald ich wieder meine eigene Herrin war und mir niemand mehr vorschrieb, wie meine nächsten Schritte auszusehen hatten.
Verducci beeilte sich glücklicherweise, den Anweisungen der Artista möglichst schnell nachzukommen und sandte Red Sam aus, um ein solches Gefährt zu besorgen. Dieses Vertrauen erfüllte mich mit Staunen. Besonders, wenn man in Betracht zog, dass der große, rothaarige Mann noch vor nicht allzu langer Zeit der Mannschaft eines John Roberts angehört hatte, der der Promessa keinesfalls wohl gesonnen war.
Aber Verducci würde seine eigenen Gründe für sein Vorgehen haben. Ich hatte keine Lust dazu, mich mit ihnen zu beschäftigen, fühlte ich mich doch mit jedem Augenblick weniger wohl, da die Augen all jener, die meine Lage kannten, aufmerksam auf mich gerichtet waren. Sie musterten jede meiner Regungen, als gäbe es auf der ganzen Welt nichts, das von größerem Interesse war.
Ich schluckte einige unfreundliche Bemerkungen hinunter und begann innerlich damit, die Sekunden zu zählen, bis die Kutsche mit Red Sam auf dem Kutschbock erschien. Danach beobachtete ich zähneknirschend, wie die Truhen in einem erschreckend langsamen Tempo auf ihrem Dach angebracht wurden, bevor sich die Artista und ihre Dienerin in Bewegung setzten und sich die Planke der Promessa mit laut klingenden Schritten hinab führen ließen.
Es bedurfte nur eines kurzen Blickes zu Sadira, um mich von ihr zu verabschieden. Sie wusste, was ich fühlte und wir benötigten nach den langen Tagen zu zweit keine großen Worte mehr, um einander zu verstehen. Sie nickte lediglich ermutigend, bevor ich meinen Fuß ebenfalls auf die Planke setzte und hinab laufen wollte, jedoch erschrocken innehielt, als sich eine Hand auf meine Schulter legte und mich zurückhielt.
Fragend sah ich in die smaragdgrünen Augen Domenico Verduccis, zu dem die schlanke Hand gehörte, musterte sein ernstes Gesicht, von dem sich die Narbe geisterhaft abhob. Seine Stimme war sanfter, als ich sie gegenüber meiner Person jemals erlebt hatte.
»Wir werden hier sein und warten, Lukrezia. Ihr könnt mich jederzeit im Hause meiner Schwester finden.«
Das Haus seiner Schwester? Ich blickte ihn verwirrt an und wollte gerade meinen Mund öffnen, um ihm endlich sein Geheimnis zu entlocken, als mein Blick einmal mehr auf diese smaragdgrünen Augen fiel, die mir schon oft so vertraut erschienen waren. So vertraut, als würde ich ihn schon lange kennen und hätte einige schöne Erlebnisse mit ihm geteilt. Ein bekanntes Element in einem fremden Gesicht mit einem zu dunklen Teint, umkränzt von dunklem Haar, das mich auf eine falsche Spur gelenkt hatte.
Endlich hatte ich Gewissheit über das, was er so lange verborgen hatte und mir wurde bewusst, welches Spiel der Narbenmann und seine Schwester gespielt hatten. Wie hatte ich nur so schrecklich blind sein können? Von meinen Problemen in Anspruch genommen, hatte ich nicht glauben wollen, was klar und deutlich auf der Hand lag, hatte es nicht einmal ernsthaft genug in Erwägung gezogen.
»Smeralda. Also doch«, hauchte ich tonlos und Verducci nickte nur bestätigend und nahm die Hand von meiner Schulter.
»Ja, Smeralda. Leonora Verducci. Meine Schwester. Aber es wird Zeit, Lukrezia. Ihr solltet die Fürstin nicht warten lassen.«
Also war es Smeralda, die ihren Bruder gesandt hatte, um mich zu schützen. Smeralda, die seine Geschichte kennen musste und die Verbindung zwischen uns gesehen hatte, lange bevor ich auf die Spur von Verduccis Geheimnis gekommen war. Ja, Smeralda hatte mehr gesehen, als ich hatte sehen wollen. Ich lächelte grimmig über die Weitsicht und das Geschick der Frau, die seit Jahren an meiner Seite gestanden hatte und die meine Gefühle erraten hatte, bevor ich mir selbst über ihre Existenz bewusst geworden war.
Ich sah in die Ferne, gab meinen Gedanken noch einen Moment, um sich zu sammeln und richtete dann meine Augen auf die Kutsche, in der Beatrice Santi bereits auf mich wartete. Es wurde in der Tat Zeit, zu gehen.
Wie schon die erste gemeinsame Fahrt mit den beiden Frauen, verging auch diese größtenteils in
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