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Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe

Titel: Kurzer Abriss meines Lebens in der mongolischen Steppe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hulova
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Augen am Ofen hantierte, um uns eine siedend heiße Suppe mit Talgstückchen zu kochen und darauf wartete, dass wir heimkämen.
    Papa konnte furchtbar schnell reiten. Er schrie chusch! chusch! chusch!, aber ich sah nur die Bewegungen seines Mundes, weil den Schrei der Wind forttrug, und das Pferd hatte dann immer einen klatschnassen Rücken unter dem Sattel.
    Meistens aber ritt ich etliche Dutzend Meter hinter Papa und bemühte mich, den Schwanz seines Pferdes nicht zu weit entkommen zu lassen, weil er sich immer das schnellste der
Herde nahm, obwohl er sagte, das sei nicht das Entscheidende.
    Er trug einen dunklen weinroten Deel mit einem Zierverschluss, Mama gefiel er nicht sehr, bei uns im Somon hatte keiner so einen an, und Mama reichte es auch so schon, dass Papa und Großmutter sich durch die Sprache abhoben und es dauernd irgendwelche Probleme damit gab. Sie bestickte Papas Stiefel mit dem Sojombo, dem Staatswappen unseres Landes. Geometrische Ornamente und hineingeschlungene Rosetten hat jeder, sagte sie, aber derart nationalbewusst wird weit und breit nur Papa sein.
    Papa war das egal, Hauptsache, die Spitzen waren schön nach oben gebogen, damit sie auch nicht das kleinste Stückchen unseres geheiligten Bodens verletzten, Hauptsache, die Stiefel waren warm genug, wenn er im Winter den ganzen Tag dem Vieh, das für die Eishaut darauf schon zu schwach war, den Schnee wegscharrte, damit es an das gelbe scharfe Gras herankommen konnte, das sich darunter befand.

    Jener Winter, in dem meine jüngste Schwester geboren wurde, war von allen Wintern der ärgste. Von uns starb zwar niemand, aber trotz Papas täglicher Plackerei mit dem Tee und den Decken überlebte kein einziges Zicklein, das in diesem Jahr geboren wurde.
    Wäre Mama nicht niedergekommen, wäre alles anders ausgegangen. Sie hätte Papa geholfen und er nicht eines Babys wegen drei Tage nur im Ger herumhängen und wegen unserer sich heiser plärrenden Schwester für Wärme sorgen müssen.
    Das dachte sich Großmutter sicher, weil Mama wegen des Babys keine Zeit für sie hatte und auch wir Mädchen sie vergaßen. Durch das andauernde Schlafen kam sie nicht viel zum
Essen, und als sie zu Frühjahrsbeginn endlich aus ihrem völlig verflohten Fellnest herauskroch, war sie ausgemergelt wie die schreckliche alte Vettel Uuregma, die angeblich in den Bergen bei unserem Sommerlager wohnt und schlimme Kinder klaut. Mama erwähnte sie, wenn wir unsere Welpen quälten oder heimlich hinter dem Ger lauschten, worüber sich die Erwachsenen unterhielten.
    Großmutter überlebte zwar, wie Papa vorausgesagt hatte, den Winter, aber es war nie mehr richtig was mit ihr anzufangen. Sie half Mama bei nichts und wurde zu allen außer zu Papa immer ekelhafter. Wahrscheinlich hatte sie sich auch auf einen kleinen Baatar, auf einen Enkel, gefreut, und Ojuna war ein gewöhnliches Mädchenbaby wie wir alle vor ihr. Mama wusste, dass Papa deswegen traurig war, und Großmutter hatte einen weiteren Grund zum Schimpfen. Als ob sie vergessen hätte, dass sie genauso wie wir ein Mädchenbaby gewesen war. Daraufhin nahm Mama sich vor, kein weiteres Kind mehr zu haben, und so kam es auch.
    Ein Jahr später, im Sommer des Jahrs des Affen, begruben wir Großmutter. Ojuna fing gerade zu laufen an, und daher gab es eine Menge Arbeit mit ihr. Sie hörte damals auf, um Mama herumzukriechen und auf allen vieren zu hopsen, und musste sich auch nicht mehr an allem im Ger festhalten, wenn sie sich aufstellen wollte. Wenn Nara, Magi und ich ihr mit Uuregma drohen wollten, machte sie sich nichts draus, weil sie noch dumm war, und wir hatten sie von morgens bis abends am Hals. In der Woche, in der Großmutter starb, waren wir alle außer Papa und Ojuna zu Besuch bei Munchtsetseg.
    Munchtsetseg war Mamas Cousine, die auch fast nur Töchter hatte und mit ihnen und ihrem Mann Majdar ungefähr eine Tagesreise mit dem Auto von unserem Ger entfernt
im Nachbaraimak wohnte. Sie hatten uns damals zur Verkostung ihres Kumys eingeladen.
    So wie wir in unserem Landstrich die besten Rindshäute hatten und auch unser Kaschmir zum hochwertigsten zählte, vergoren wiederum Majdar und Munchtsetseg die beste Stutenmilch im ganzen Öwörchangaj-Aimak.
    Papa und Munchtsetseg mochten sich nicht, außerdem musste er sich um die Herde kümmern, und Großmutter war für die Reise zu schwach. Zu Hause blieb schließlich auch Ojuna, weil nämlich Mama, was die Beaufsichtigung eines kleinen Kindes betraf, Großmutter traute.

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