Kuss der Nacht - Band 02
beschwerten sich jedoch keineswegs über meinen exzessiven Alkoholkonsum. Ein steter Nachschub an Stoff und ein Kartenspiel, mehr brauchte es nicht, damit sie bei mir Stammgäste wurden. Leider pokerten sie nicht besonders gut, nicht einmal im nüchternen Zustand. Betrunken gaben sie ein lustiges Schauspiel ab, wenn ihre Fertigkeiten sekündlich noch miserabler wurden.
Wie kommt man nun zu einem solch glamourösen Leben? Mein Boss Don war auf mich aufmerksam geworden, als ich zweiundzwanzigjährig einen kleinen Konflikt mit dem Gesetz hatte. Der übliche Kinderkram eben. Mord am Gouverneur von Ohio und mehreren seiner Angestellten. Alles moderne Sklavenhändler, die Frauen als Saug-und Sexspielzeuge an die Untoten verkauften. Ja, den Tod hatten sie verdient, vor allem, weil ich eine der Frauen gewesen war, die sie hatten verhökern wollen. Mein vampirischer Geliebter Bones und ich hatten sie auf unsere Weise zur Rechenschaft gezogen, und so hatte es jede Menge Tote gegeben.
Nach meiner Verhaftung hatten meine mysteriösen medizinischen Befunde mich als nicht ganz menschlich geoutet. Don packte die Gelegenheit beim Schopf und heuerte mich als Leiterin seiner geheimen Einheit für »Innere Sicherheit« an, indem er mir ein unschlagbares Angebot machte. Morddrohung wäre die treffendere Bezeichnung gewesen. Ich nahm den Job an. Hatte ich eine Wahl?
Don mochte viele Schwächen haben, doch das Wohl derer, die der Staat nicht schützen konnte, lag ihm wirklich am Herzen. Mir auch. Ich setzte mein Leben für sie aufs Spiel. Nur darin sah ich den Sinn meiner Existenz als Halbtote mit menschlichem Aussehen. Für die Jäger der Nacht konnte ich Köder und Haken zugleich sein. Das war natürlich kein Ende wie im Märchen, aber wenigstens konnte ich so für einige Menschen etwas Positives bewirken.
Als ich gerade in meinen Pyjama schlüpfen wollte, klingelte das Telefon. Es war schon fast Mitternacht, also konnte es nur einer der Jungs oder Denise sein. Meine Mutter war so spät nicht mehr wach.
»Hey, Cat. Gerade heimgekommen?«
Denise wusste über meinen Beruf Bescheid, und auch darüber, dass ich eine Halbvampirin war. Eines schönen Tages, ich dachte an nichts Böses, war ich ganz zufällig dazugekommen, als sich ein Vampir an Denises Halsschlagader gütlich tun wollte. Als ich mit ihm fertig gewesen war, hatte ihr schon gedämmert, dass ich kein Mensch sein konnte. Eins musste man ihr lassen: Sie hatte damals weder herumgekreischt noch einen Ohnmachtsanfall bekommen oder was man als Normalsterblicher sonst so tut. Sie hatte mich einfach nur verdutzt angesehen und gemeint: »Wow Jetzt muss ich dich aber wenigstens auf ein Bier einladen.«
»Ja«, antwortete ich. »Gerade heimgekommen.«
»Oh, schlechten Tag gehabt?«, erkundigte sie sich.
Sie konnte ja nicht ahnen, dass ich mich heute fast den ganzen Tag von meiner selbst verursachten Stichverletzung hatte erholen müssen. Was mir nur dank Brams und durch den zweifelhaften Segen gelungen war, dass ich mir die Wunde mit einem Messer beigebracht hatte, an dem noch Vampirblut klebte.
Vermutlich hatte mir das mehr geholfen als Dons Zauherpillen. Vampirblut war eben das beste Heilmittel.
»Ach, das Übliche. Und bei dir? Wie ist dein Date gelaufen?«
Sie lachte. »Ich telefoniere gerade mit dir; was hat das wohl zu bedeuten? Eigentlich wollte ich gerade Käsekuchen auftauen. Willst du rüberkommen?«
»Klar, aber ich bin schon im Schlafanzug.«
»Vergiss die Plüschpantoffeln nicht.« Ich konnte Denises Grinsen fast sehen. »Die machen dein Outfit doch erst komplett.«
»Bis gleich.«
Wir legten auf, und ich lächelte. Die Einsamkeit war fürs Erste gebannt. Jedenfalls bis uns der Käsekuchen ausging.
Zu dieser späten Stunde waren die Straßen von Virginia so gut wie leer, doch ich war auf der Hut, denn jetzt waren die Untoten auf Nahrungssuche. Gewöhnlich nahmen sie nur einen kleinen Snack zu sich. Dank ihres Hypnoseblicks und eines Halluzinogens in ihren Reißzähnen konnten sie nach vollendeter Mahlzeit einfach verschwinden und die Opfer mit falschen Erinnerungen und Eisenmangel zurücklassen. Dieses Wissen hatte ich Bones zu verdanken. Er hatte mir alles über Vampire beigebracht: Welche Stärken sie hatten (viele!), welche Schwächen (wenige, und Sonnenlicht, Kreuze und Holzpflöcke gehörten nicht dazu), woran sie glaubten (an Kain, den ersten Vampir, den Gott geschaffen hatte, als er ihn für den Mord an Abel bestrafen wollte, indem er ihn auf ewig dazu
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