Kuss der Sünde (German Edition)
nackte Pracht allzu schnell unter seiner Kleidung. Zuletzt zog er die Schuhe an und nahm seinen Gehrock auf. Vor dem Bett deutete er eine Verbeugung an und blies eine kastanienrote Strähne beiseite, die über seinen Wangenknochen kitzelte.
„Es war mir ein Vergnügen, Madame. Au revoir.“
Seine Förmlichkeit brach wie ein eisiger Guss über sie herein. Ihre Lippen waren geschwollen, ihre Brustspitzen brannten von seinen Küssen, und er nannte sie Madame, als würden ihm die letzten Stunden nichts bedeuten.
Sie zog die Beine an und setzte sich auf. „Weshalb willst du schon gehen? Mein Gemahl , der Rittmeister , kommt erst am Abend zurück. Uns bleibt noch etwas Zeit.“
„Hm“, machte er und schlüpfte in die Ärmel seines Gehrocks. „Ich möchte eines klarstellen, um etwaige Missverständnisse auszuräumen, Madame. In Zukunft wird sich unser Kontakt auf Vilette beschränken.“
Schnippisch warf sie ihr Haar zurück. „Wenn du das für nötig hältst.“
„Unbedingt. Sollte jemals mein Name im Zusammenhang mit Ihrem fallen, wäre ich gezwungen, ein Messer durch Ihren li e breizenden Hals zu ziehen. Das wäre unschön. Denk en Sie daran, vierzig Prozent sind vereinbart.“
Bis die Drohung zu ihr durchdrang und sie schützend die Hand um den Hals legte, waren seine Schritte verklungen.
Wie konnte er es wagen?
Sie war von einem Niemand zur Dame aufgestiegen, hatte gelogen, betrogen und einen Mann geheiratet, um seinen Namen zu tragen. Sie war mit allen Wassern gewa s chen und letztendlich hereingelegt worden. Dieses Schlitzohr hatte nur mit ihr geschlafen, um ihr im Moment äußerster Schwäche weitere zehn Prozent zu entlocken. Unter anderen Umständen hätte sie diesen Handel weit von sich gewiesen. Vierzig Prozent! Wie unverschämt.
Sie schlang ein Laken um sich, trat vor den Spiegel und betrachtete sich. Schlank und zierlich, die Haut von Leidenschaft gerötet. Hatte er überhaupt so etwas wie Leidenschaft verspürt, dieser eiskalte Fisch mit den wunderbar warmen Händen?
War das nicht völlig gleichgültig? Sie lächelte ihrem Spiegelbild zu. Comtesse de La Motte. Sie würde die Oberhand behalten. Bei ihrem Coup, in ihrem Leben und über diesen skrupellosen Fälscher. Am Ende würde er für ihren Betrug zahlen.
2
V
iviane konnte der Tanzstunde zweimal erfolgreich ausweichen. Beim dritten Mal wurde sie von ihrer Mutter ausdrücklich zur Teilnahme angehalten und musste sich fügen.
In einem sonnengelben Nachmittagskleid aus dem Grand Mogul saß sie auf einem Stuhl dicht an der Wand und hoffte, übersehen zu werden. Der junge Tanzmeister hatte ohnehin mit ihren Schwestern alle Hände voll zu tun. Die erste Auseinandersetzung hatte Pauline für sich entschieden, ein Überr a schungserfolg über Juliette.
„Schau dir nur an , wie sie herumhopst auf ihren knochigen, langen Stelzen“, zischte diese an ihrer Seite.
Viviane schwieg. Sie erinnerte sich gut daran, wie auch sie vor einigen Jahren herumgehopst war – auf knochigen, langen Stelzen. Damals hatte sie unter jeder Bemerkung über ihren hohen Wuchs gelitten, heute freute sie sich am Enthusiasmus der kleinen Schwester, die an der Hand des Tanzmeisters die Schritte zu einer Pavane übte. Im Wechsel strahlte sie ihn, den älteren Herrn am Cembalo und ihre Schwestern an. Pure Glückseligkeit. Vor dem Spiegel vollführte sie eine schwungvolle Kehrtwende.
„Etwas mehr Contenance, Demoiselle“, mahnte der Tanzmeister.
„Ich bin an der Reihe“, schmetterte Juliette und lief mit klackernden Absä t zen durch den Saal.
Wenig sanft verdrängte sie Pauline und schickte sie an den Rand des G e schehens. Atemlos kam die Jüngste bei Viviane an. Begeisterung blitzte in ihren grünen Augen, einige helle Haare hatten sich unter ihrer Haube hervorgestohlen.
„Ist er nicht hinreißend?“, flüsterte sie. „Ein begnadeter Tänzer. Wirklich.“
„Von einem Tanzmeister sollte man das erwarten dürfen.“
Das Schmachten einer Zwölfjährigen hielt jeder Vernunft stand. Als w ä re sie noch ein Kind, setzte sich Pauline auf den Boden, schlug die Beine unter und lehnte den Kopf an Vivianes Knie. Sie nutzte die Gelegenheit und schob dem Nesthäkchen die losen Locken unter die Haube.
„Hach, Viviane. Seine Augen sind von einem ganz dunklen Blau, beinahe wie der Abendhimmel. Und dazu dieses rabenschwarze Haar. Findest du nicht auch, dass sein Gesicht überaus edel und schön ist?“
„Du liest zu viele Romane, Pauline.“
Pauline seufzte
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