Kuss der Sünde (German Edition)
sein einziger Rückzug s ort, der einzige Besitz in Frankreich, der unter seinem echten Namen eing e tragen war. Die entfernten Nachbarn begrüßten sie mit Madame Favre und mochten sich insgeheim wundern, weshalb ein Mann seines Alters mit einer Frau vermählt war, die ihm viele Jahre voraushatte. Die Lügen wäh r ten schon viel zu lange.
„Du hast ein Vermögen verdient“, entfuhr es ihr, ehe sie sich versah. „Die Konten in England garantieren dir ein gutes Leben. Du könntest aufhören. Dich zur Ruhe setzen.“
Er schnalzte mit der Zunge und drückte den Schwamm über seiner Brust aus. „Ich bin ein wenig zu jung, um mich zur Ruhe zu setzen, Ninon. Na ja, ein großer Coup, vielleicht überlege ich es mir dann anders.“
Sie horchte auf. Was für ein Coup sollte das sein? Er war kein gedankenl o ser Mann, wusste Gefahren einzuschätzen, aber er neigte zu Risiken. In den letzten Jahren war er tollkühner geworden. Fälschungen waren eines, doch die Raubzüge, mit denen er seine betrügerischen Kunden um einen Teil ihres Gewinns brachte, waren absolut unnötig. Auch wenn er sein Diebesgut ve r äußerte und das Geld den Armen gab. Er stellte sein Glück zu oft auf die Probe. Manchmal erweckte es gar den Eindruck, als woll t e er sich das Han d werk legen und sich verhaften lassen.
„Du könntest jederzeit ein neues Leben beginnen, heiraten und eine Familie gründen.“ Davon träumte sie seit L angem . Obwohl es bedeuten würde, dass sie ihn verlassen musste, denn welche Frau duldete schon eine Schauspi e lerin in ihrem Haus? Dazu noch eine, an die er vor Jahren seine Unschuld verloren hatte.
„Hast du bereits eine Braut für mich ausgedeutet?“, neckte er sie. „Lass mich raten. Könnte es die dralle Tochter des Milchmanns sein, der jeden Tag seine Kanne bei dir abliefert?“
„Ich frage ihn für dich, ob er eine Tochter hat.“
Über die Schulter warf er ihr einen belustig t en Blick zu. „Oder ein adrettes Krämertöchterchen. Stell dir nur vor, was das für ein Aufstieg für sie wäre.“
Angesichts der Teppiche und Gobelins, Gemälde und des Porzellans, wäre es für die Tochter eines Krämers definitiv ein Aufstieg. Sogar eine Dame aus der gehobenen Bürgerschicht käme in f rage , solange ihr Vater keinen Ar g wohn schöpfte und Fragen zu Oliviers Vergangenheit stellte.
„Ich könnte natürlich auch Adrienne heiraten. Vermählen sich Männer mit ihren Mätressen, was meinst du?“
„Sie würde dich nicht nehmen“, konterte Ninon.
Adrienne La Bouche war ein Glanzstück der Pariser Bühne und nebenbei eine der teuersten Kurtisanen der Stadt. Sie verschenkte ihre Gunst nach B e lieben und brauchte weder einen Gemahl noch sein Vermögen. Lachend tauchte er in den Zuber ab. Seifenschaum tanzte auf der Wasseroberfläche. Als er wieder auftauchte, seifte er sein Haar ein. Die Mädchen, die bei Adrie n ne unterkamen, solange sie ein Engagement hatten, wühlten mit Vorliebe darin herum, versessen darauf, ihn in ihr Bett zu locken. Er war ein guter Liebhaber, er konnte auch ein guter Ehemann werden. Mit der richtigen Frau an seiner Seite würde er sich seiner Verantwortung stellen und ein anständiges Leben führen. Ein Leben mit Kindern. Die Vorstellung machte sie rührselig und ehe sie sich versah, beging sie einen Fehler.
„Du bist sechsundzwanzig, Olivier. Das richtige Heiratsalter. Dein Vater hätte sich nichts anderes für dich gewünscht.“
Hastig zog sie die Lippen zwischen die Zähne. Verflucht! Die Atmosphäre schien zu knistern und nach verbranntem Haar zu riechen. Seine Finger schlossen sich so hart um den Zuberrand, dass die Knöchel weiß hervortraten.
„Mein Vater“, sagte er in ätzendem Tonfall. „Der geniale Fechtmeister. Der sagenhafte Antoine Favre. Ein Jammer, dass er sich nicht auf die Treffsiche r heit seiner Klinge verließ, sondern es vorzog, sich eine Kugel zwischen die Augen zu jagen.“
Abermals tauchte er ab und blieb so lange unter Wasser, dass Ninon hinei n griff, sein Haar packte und ihn an die Oberfläche zog. Winzige Tropfen ve r klebten seine Wimpern.
„Kein Angst, Ninon. Ich werde nicht in einem Zuber ertrinken. Dieser Tod wäre viel zu unspektakulär.“
Die bittere Bemerkung ließ ihr Herz holpern. Sie erhob sich und setzte ihr Glas ab.
„Ich bringe dir dein Essen. Es gibt Gänsekeule“, murmelte sie und hastete hinaus.
Auf dem Weg in die Küche rieb sie über ihre feuchten Augen. Weshalb ha t te sie seinen Vater erwähnt? Sie wusste doch,
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