Kuss der Sünde (German Edition)
Menschen gegeben hatte, den sie gebrochen hatten, so war es Olivier. Viviane löste sich von Pauline und schüttelte Julie t tes Hand ab. Einem nach dem anderen sah sie ins Gesicht, suchte nach der Wahrheit und fand sie in ihren erstarrten Gesichtern, die keinerlei Einsicht zeigten. Einzig ihr Vater schien das begangene Unrecht zu empfinden. Er mochte etwas anderes behaupten, doch letztendlich hatte er es geschehen lassen.
Olivier hatte es ihnen heimgezahlt. Er hatte sich an diejenigen gehalten, die er erreichen konnte, an die Töchter der Familie. Sie waren die ahnungslosen Opfer, die Schachfiguren in einem Spiel, das sich einzig um Vergeltung drehte, und doch war er gescheitert. Sie konnte es spüren. Er wandte den Kopf ab, als sie die Hand auf seine Schulter legte. Nur ein leichter Druck würde genügen und er würde zusammenbrechen. Die Begegnung mit ihrer Familie hatte ihm Aufschluss gegeben und dennoch nichts verbessert.
„Nein!“, rief ihre Mutter. „Nein, so war es nicht! Antoine war kein hilfloses Opfer, kein unschuldiges, wehrloses Lamm. Das war er nie g e wesen. Er war wie du! Maßlos von sich eingenommen. Unverschämt und fordernd. Rüc k sichtslos. Er wollte nichts gelten lassen. Er war es, der mich bedrohte, der uns zum Handeln zwang. Der alles zerstören und mich ruini e ren wollte.“
„Marianne“, flehte ihr Vater.
„Was denn? Wollen Sie es tatenlos hinnehmen, dass er meine Töchter mis s braucht? Sie und mein Bruder lassen sich schmähen . “ Sie sprang auf. Spe i chel spritzte von ihren Lippen. „Er hat sich an meinen Mädchen vergangen. Julie t te erwartet ein Kind. Einen Bastard mit der niederen Gesinnung eines schäb i gen Herumtreibers, und ihr alle glotzt dumm aus der Wäsche. Germain, u n ternehmen Sie endlich etwas . Handeln Sie wenigstens ein M al in Ihrem Leben, anstatt einfach nur herumzustehen und den Heiligen herauszukehren.“
Onkel Maurice erhob sich und umfasste ihre Schultern, doch sie entwand sich seinem Griff.
„Vor dem Haus wartet die Polizei“, stellte Vater mit brüchiger Stimme fest. „ Wenn Sie durch diese Seitentür gehen, gelangen Sie in den hinteren Teil des Hauses, von dort aus zu den Ställen und auf freies Feld. Mehr kann ich Ihnen nicht anbieten, Favre. Gehen Sie, lassen Sie die Vergangenheit ruhen.“
„So einfach ist es also für Sie“, antwortete Olivier. „Wir alle sagen unser Sprüchlein auf, Sie geben sich bestürzt und zeigen Großmut, indem Sie mir erlauben , zu entkommen. Nun, wenn ich gehe, dann nehme ich Viviane mit . Wenn sie es will.“
Auffordernd hielt er ihr die Hand entgegen. Es gab keinen Moment des Z ö gerns. Er musste nichts mehr sagen, sie nicht um Vergebung bitten, denn das alles fand sie in seinen Augen. Er brauchte sie, und sie würde bei ihm bleiben. Zustimmend ergriff sie seine Hand. Fest verschränkten sich ihre Finger mite i nander, verknüpften sich zu einem Band gegen jedweden, der sich zwischen sie drängen wollte.
„Viviane, ich bitte dich . “ Beschwörend hob ihr Vater die Hände .
Hoch aufgerichtet begegnete sie ihm. Es gab nur noch einen Menschen in dieser Familie, zu dem sie eine Bindung spürte. Pauline, die stumm vor En t setzen am Fenster verharrte. Sie hatte ihre Zähne so tief in ihre Unterlippe gegraben, dass ein Blutstropfen aufschimmerte.
„Sie haben das Leben eines Menschen auf dem Gewissen und das seines Sohnes ruiniert“, sagte sie mit klarer Stimme. „Sie haben die Familienehre stets so hoch gehalten, Vater, und nun stellt sich heraus, dass jedes Wort aus Ihrem Mund eine ungeheuerliche Lüge war. Wie können Sie das mit Ihrem Gewissen vereinbaren? Wie konnten Sie dieses Unrecht zulassen?“
Die Zurückhaltung und Würde der großen Dame fiel von der Marquise ab. Zurück blieb eine Furie mit wildem Haar. Ihr Gesicht wurde zur verzerrten Grimasse einer Irrsinnigen. In diesem Moment beugte sich Juliette aus dem Fenster und wollte nach der Polizei rufen. Pauline vereitelte es, indem sie sie grob beiseitestieß und das Fenster zuschlug und verriegelte. A lain Duprey entzog sich dem Chaos, indem er das einzig Vernünftige tat, au f sprang und aus dem Salon floh.
„Ich lasse es nicht zu!“, rief ihre Mutter mit sich überschlagender Stimme. „Er wird mir nicht meine Tochter nehmen. Eher bringe ich ihn mit eigener Hand um. Verhaftet ihn. Er soll nie mehr das Tageslicht sehen. Er soll verro t ten, wie schon sein Vater verrottet ist . “
Olivier stand im Zentrum dieses Sturms, und rührte sich
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