Kuss der Sünde (German Edition)
Stattdessen wartete sie, bis Alain ihrer Schwester vom Pferderücken half und sprang danach selbst aus dem Sattel, ohne seine hilfreich ausgestreckte Hand zu beachten. Saladin ließ müde den Kopf hängen. Er sehnte sich nach seinem Stall und seine m Futtertrog, und doch ließ Viviane ihn achtlos vor der Hau s tür stehen.
Die hell erleuchteten Fenster verrieten ihr, was geschehen war. Pauline hatte Angst bekommen und die Eltern von ihrer Abwesenheit informiert. Nun saßen sie im großen Besuchersalon beisammen und hatten sich in stundenla n gem Rätselraten erschöpft, zu dem sie sogar Onkel Maurice hinzugezogen hatten. Ihre Vermutung wurde von der hellen Stimme der kleinen Schwester bestätigt, die dem Vater Rede und Antwort stand. Begleitet von drei fremden Männern platzten sie in eine Szenerie aufgewühlter Gemüter. Und Juliette fiel nichts Besseres ein, als sich umgehend zum Mittelpunkt zu machen.
„Wir sind zurück“, trällerte sie betont munter und versuchte , ihre Unruhe mit einem Lachen zu überspielen. „Es ist nichts geschehen. Nur ein kleiner Ausflug.“
Dem Marquis stand die Frage im Gesicht, wer die Männer waren, die seine Töchter von diesem vorgeblichen Ausflug mitgebracht hatten. Marianne wechselte mit Onkel Maurice einen knappen Blick und umfasste seine Hand.
„Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?“, polterte ihr Vater los und schoss auf den kleinen Trupp zu. „Ihr verschwindet mitten in der Nacht aus dem Haus, treibt euch Gott weiß wo herum und schämt euch nicht, von e i nem Ausflug zu faseln . Habt ihr jeden Sinn für Anstand und Sitte vergessen? Was fällt euch ein, aus dem Fenster zu steigen und euch in dunklen Straßen herumzudrücken? Glaubt ihr etwa, mir ungestraft auf der Nase herumtanzen zu können und euch aufführen zu dürfen, wie zwei liederliche Weibsbilder aus der Gosse? Das wird Folgen haben. Folgen!“
Alain Duprey wurde grün um die Nase. Was immer er sich zurechtgelegt hatte, entfiel ihm angesichts eines Aristokraten, dessen längliches Gesicht sich zu einer Faust ballte, so verkniffen wurde es. Olivier musterte die Anwese n den. Ein feindseliger Ausdruck trat in seine Augen, als er Marianne entdeckte.
„Ich verlange eine Erklärung, obwohl es keine wirklich gute Erklärung für euer schändliches Benehmen geben kann. Und wie siehst du überhaupt aus, Viviane?“
Entrüstet wurde Viviane von oben bis unten gemustert. Sie zuckte die Schultern. „Wenn Sie erlauben, Papa, möchte ich mich zurückziehen“, sagte sie spröde.
„Ich erlaube es nicht . Du wirst bleiben, bis ich weiß, was über meinen Kopf hinweg in diesem Haus getrieben wird. Diesmal erwarte ich Antworten, und wenn ich euch beide in den Keller bei Wasser und Brot einsperren muss, bis ihr bereit seid, sie zu geben.“
Juliette warf sich dem Vater an die Brust. „Oh, Papa, nicht böse sein. Ich bitte Sie, hören Sie uns an. So viel ist geschehen, und ich … ich erwarte ein Kind.“
Ein einheitliches Luftschnappen war im Salon zu hören. Marianne wurde bleich wie ein Laken und sank gegen Onkel Maurice. Der Marquis drückte die Hand an seinen Brustkorb und schien in den Knien einknicken zu wollen. Viviane wich allen aus, trat an das Fenster und riss es weit auf.
„Seid ihr allesamt vollkommen irrsinnig geworden?“, keuchte ihr Vater . „Viviane!“
„Sie haben es doch gehört. Juliette ist schwanger. Was soll ich dem noch hinzufügen?“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an die Fensterbank. Zum ersten Mal schenkte er den Männern, die mit ihnen den Salon betreten hatten, Beachtung. Duprey schrumpfte in sich zusammen und wich zurück. Olivier begegnete der Musterung mit sarkastisch hochgezogener Augenbraue. Lazare stand in seinem Rücken. Schließlich schob der Marquis Juliette von sich und bedachte die ihm Fremden mit vernichtenden Blicken. Sie führten dazu, dass der Tanzmeister mutlos rückwärtsging und auf einen Stuhl nahe der Wand sackte.
„Papa, haben Sie denn nicht gehört?“, piepste Juliette.
„Wer sind Sie?“, presste ihre Mutter an Olivier gewandt hervor.
„Das ist Olivier Brionne“, rief Juliette. „Und das ist Alain Duprey. Den a n deren kenne ich nicht.“
Pauline gesellte sich zu Viviane ans Fenster und verlangte ihre Aufmer k samkeit.
„Von diesem Mann mit der Narbe im Gesicht habe ich geträumt. Er war es, der geschossen hat, Viviane. Er ist ein Mörder.“
„Was?“
Es fiel ihr schwer , sich auf das Nesthäkchen und seine
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