Kuss der Wölfin 03 - Die Begegnung
über die Brücke, kamen wieder im Wald an und kämpften uns durch dichte Sträucher. Da es verboten war, hier zu baden, gab es keine befestigten Wege zum Wasser, aber von den Ufern kam uns Musik entgegen. So richtig kümmerte sich niemand um das Badeverbot.
„Komm. Ich zeige dir mein exklusives Geheimversteck.“ Sam zog mich durch kniehohe Brennnesseln und Dornengestrüpp und überstieg mehrere morsche Baumstämme. Es wurde ruhiger. Keine Menschen waren mehr zu hören, keine Musik. Endlich setzten sich die Geräusche der Natur durch. Fliegen summten in meinen Ohren, Hummeln brummten umher. Und vor uns breitete sich ein Teppich aus Seerosen am Ufer aus. Mit offenem Mund blieb ich stehen. Das Wasser war nicht zu sehen, so dicht schwammen sie nebeneinander. Auf ihnen hatten sich Libellen niedergelassen.
„Das ist atemberaubend“, flüsterte ich, aus Angst, ich könnte die Stille stören. Sam griff nach meiner Hand und gemeinsam standen wir hier und genossen diesen Anblick.
„Habe ich dir zu viel versprochen? Hier kommt niemand her, weil man nicht so einfach ins Wasser steigen kann. Aber da vorne an dem Felsen können wir uns hineinsinken lassen.“ Er zeigte auf einen Felsvorsprung. Sam ließ meine Hand los, streifte den Rucksack ab und holte die Decke raus, um sie auf dem Boden auszubreiten. Ich stellte den Picknickkorb daneben, zog mich aus und lief zu dem Felsen.
„Ich bin Erster“, rief ich, als ich oben stand und mit Anlauf ins kühle Nass sprang. Als ich wieder auftauchte, sprang Sam gerade rein. Prustend kam er nach oben, schlang seine Arme um mich und strampelte mit den Füßen im tiefen Wasser. „Das ist wunderschön hier, Sam.“ Ich spürte seine Hände an meinem Bauch und meiner Brust. Ein wohliges Kribbeln überzog meine Haut.
„Ich weiß. So wie du.“ Er strich meine Haare aus dem Gesicht, die wieder ein Stück nachgewachsen waren, legte seine Hand in meinen Nacken und zog mich an sich. Sein Mund berührte meinen und wir gaben uns einem leidenschaftlichen Kuss hin, rieben unsere Körper aneinander.
„Sam, lass uns rausgehen“, stöhnte ich, schwamm ihm davon zum Felsen und zog mich an der Kante nach oben. Als wir auf der kleinen Plattform saßen, streichelte er mich, küsste mich, liebte mich.
Später lagen wir eng umschlungen wieder auf unserer Decke. Sam fütterte mich mit Trauben, küsste meine Brust, fütterte mich mit Käse, strich über meine Beine. Ich fand jetzt war endlich der richtige Augenblick für sein Geschenk. Aus meinem Rucksack kramte ich die Kette raus, entwirrte sie und ließ sie vor ihm hin und her baumeln.
„Ist die für mich?“, fragte Sam.
„Ja. Die ist für dich. Mein Geschenk für dich und ich hoffe, du wirst sie immer tragen.“ Während ich das sagte, legte ich sie ihm über den Kopf. Der silbrig, schimmernde Wolfskopf lag auf seiner Brust. Er fasste den Anhänger an, beugte sich zu mir und küsste mich sanft, streichelte mir durchs Haar.
Glücklicherweise hatte seine Hand keinen größeren Schaden genommen. Nur der Daumen ließ sich weiter abspreizen als der andere, was ihn aber nicht behinderte. Die Geschichte, er sei im Badezimmer ausgerutscht, hatten die Ärzte geglaubt, die ihn recht schnell wieder aufgepäppelt hatten. Die Wahrheit blieb unter uns vier. Niemand sprach mehr davon. Sam hatte nicht mehr darum gebeten, dass ich ihn wandeln sollte. Wir hatten lange geredet. Über meine Umzüge, sein Altern, was wir machen wollten, wie wir gemeinsam unsere Zukunft gestalten wollten. Aber niemals mehr sprach Sam an, dass Adam ihn zu einem Gestaltwandler machen sollte.
Anfangs war ich noch skeptisch, aber nachdem mehrere Monate ins Land gezogen waren, traute ich ihm und wir genossen jede Minute miteinander. Für den Herbst planten wir einen Segeltörn in Griechenland. Vier Wochen auf dem Meer. Ohne Smartphone, Computer oder sonstige Annehmlichkeiten. Wir wollten uns genießen. Ich freute mich schon darauf und strich ihm durch sein strubbeliges Haar, das getrocknet war und in alle Richtungen abstand.
Ich war so glücklich, und als ich ihn ansah, wusste ich, wie sich vollkommene und reine Liebe anfühlte. Sie war bei mir angekommen und ich würde sie nicht mehr gehen lassen.
Wahre Liebe findet ihre Bestimmung
. Imaginas Worte. Wie recht sie doch hatte.
Anna lag auf dem Rücken, die Augen geschlossen mit einem wunderschönen Lächeln auf den Lippen. Sam strich die Erdbeere über ihren Körper und spürte, wie sie darunter vibrierte. Er liebte sie.
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