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Kuss des Apollo

Titel: Kuss des Apollo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Danella
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mir von einigen Leuten, die es gesehen haben, erzählen lassen, was es für ein riesiger Erfolg war. Musicals kannte man in Deutschland damals noch nicht. Paul Hubschmid hat den Higgins gespielt. Und die Eliza war eine Dame namens Karin Hübner. Kennt man heute gar nicht mehr.«
    »Der Film war wunderbar«, sagte Frau Holm. »Mit Audrey Hepburn und Rex Harrison.« Und plötzlich begann sie zu singen:
»I could have danced all night, I could have danced all night.«
    Sebastian lachte. »Stimmt genau. Ich bin also doch nicht auf der falschen Fährte, wie mir scheint.«
    »Ich habe den Film auch gesehen, zusammen mit Papi. Und darum weiß ich, dass er den Higgins mal gespielt hat. Und warum willst du
Pygmalion
noch mal verfilmen, wenn er doch so erfolgreich war?«
    »Ich will weder den Shaw noch den Film noch mal ma-chen, ich will einen Pygmalion. Nicht den Higgins. Einen Pygmalion.«
    »Du bist wieder bei den alten Griechen gelandet.«
    »Weißt du denn, wer Pygmalion war?«
    Geraldine blickte Frau Holm fragend an.
    »Irgendwas mit den alten Griechen hat es schon zu tun«, sagte Frau Holm. »Es gab einen Pygmalion. Ich habe ein Lexikon, wir können gleich mal nachschlagen.«
    »Nicht nötig, ich weiß es und kann es euch erzählen«, sagte Sebastian. »Er war kein Grieche, er lebte auf der Insel Zypern.«
    »Na, das ist doch so gut wie griechisch«, sagte Geraldine.
    »Er war ein König. Und er war auf der Suche nach einer Frau. Einer ganz bestimmten, sehr schönen Frau. Aber die Frauen in seinem Volk gefielen ihm nicht so richtig. Also formte er eine Figur, eine Statuette. Vielleicht ließ er sie auch von einem Bildhauer gestalten, so genau weiß man das nicht. Und dieses Kunstwerk liebte er. So sollte die Frau sein, die zu ihm gehörte. Aber die Figur war aus Stein. Darüber war er sehr unglücklich. Doch Aphrodite, die Göttin der Liebe, erbarmte sich seiner, legte die Hand auf die Statue, und es wurde eine lebendige Frau daraus. Die bekam er und die behielt er.«
    »Eine schöne Geschichte«, sagte Frau Holm.
    »Natürlich ist es griechisch, wenn doch Aphrodite daran beteiligt ist«, sagte Geraldine.
    »Ich muss mal näher erklären, was ich will. Der Pygmalion von Shaw hat mit Griechenland überhaupt nichts zu tun. Die Story spielt in London, Higgins ist ein nörgeliger Professor, ein Sprachwissenschaftler, und es ärgert ihn, wenn die Leute schlechtes Englisch sprechen. Eliza ist ein Blumenmädchen, das auf der Straße sitzt und ihre Blumen verkauft und einen grässlichen Slang redet und sich außerdem sehr ordinär benimmt. Er schließt eine Wette mit seinem Freund Oberst Pickering ab, dass es ihm gelänge, dieses ordinäre Stück in sechs Wochen zu einer Lady zu erziehen, mit der man sich in bester Gesellschaft sehen lassen kann. Am Ende gelingt ihm das auch, und dann ist sein Interesse an dem Mädchen auch schon erloschen. Obwohl sie sich nun in ihn verliebt hat. Bernard Shaw, der ja ein sehr raffinierter Autor war, schenkt sich ein richtiges Happy End. Wir können nur hoffen. Möglicherweise, und das wäre typisch Shaw, ist dieser aufgeblasene Professor gar nicht zu wirklicher Liebe fähig.«
    Einige Minuten blieb es still. Sie tranken von ihrem Bier, und jeder kippte den Juvi.
    »Und was willst du daraus machen?«, fragte Geraldine.
    »Das ist das Problem. Und jetzt kommst du ins Spiel, Geri.«
    »Soso«, kam es von Geraldine.
    »Shaw nannte sein Stück
Pygmalion,
obwohl der gar nicht darin vorkommt. Es basiert lediglich auf dem antiken Mythos von Pygmalion.«
    »Ein Mann, der eine Frau nach seinem Willen formen will. Der ein neues Wesen aus ihr machen will, einen anderen Menschen. Soweit das möglich ist.«
    »So sehe ich das auch, Geri. Die Geschichte spielt in der Gegenwart, und der Mann ist ein Psychiater. Davon gibt es ja heute viele. Die sind manchmal ziemlich arrogant, weil sie denken, einen Menschen so beeinflussen zu können, dass er ein anderer Mensch wird. Wir erleben das ja beinahe täglich. Jemand hat ein Verbrechen begangen, man attestiert mangelnde Zurechnungsfähigkeit, ein Psychiater behandelt ihn, eine Zeit lang später wird er freigelassen und begeht das gleiche Verbrechen wieder.«
    »Vergewaltigung. Missbrauch von Kindern«, sagte Frau Holm.
    »Das kann man öfter in der Zeitung lesen, dass es einer war, der besser im Gefängnis geblieben wäre.«
    »Und was macht dein Psychiater?«, fragte Geraldine.
    »Er ist der Meinung, dass man einen Menschen nicht ändern, nicht wirklich bessern

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