Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
und hastete zurück in mein Zelt.
Ich zog mich um, kuschelte mich in meine nur bedingt bequeme Schlafkoje und holte mein Tagebuch heraus. Während ich an meinem Füller kaute, dachte ich über die interessanten Menschen nach, die ich hier kennengelernt hatte. Es war offensichtlich, dass sich die Zirkusleute als eine große Familie verstanden. Mehrmals hatte ich beobachtet, dass sie helfend füreinander einsprangen. Ich schrieb auch ein wenig über den Tiger. Der Tiger interessierte mich wirklich. Vielleicht sollte ich später mit Tieren arbeiten und etwas in diese Richtung studieren. Doch dann fiel mir wieder ein, wie sehr ich Biologie hasste. Daraus würde also nichts werden.
Es war bestimmt bald Zeit fürs Abendessen, was ich unschwer an den köstlichen Gerüchen erkennen konnte, die von dem großen Gebäude zu mir herwehten und mir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen.
Das hier hat nichts mit Sarahs veganem Kochen gemein. Nein, es erinnert mich an Grandmas saftige Würstchen mit Bratensoße.
Drinnen stellte Matt Stühle um acht große Klapptische. Die ganze Zirkustruppe hatte sich versammelt und wartete darauf, sich setzen zu können. Einer der Tische war mit italienischem Essen beladen. Alles sah köstlich aus. Ich bot meine Hilfe an, doch Matt schob mich beiseite.
»Du hast heute schwer geschuftet, Kelsey. Entspann dich, ich hab alles unter Kontrolle«, sagte er.
Cathleen winkte mich zu sich. »Komm, setz dich neben mich. Wir können erst essen, wenn Mr. Maurizio hereinkommt, um die allabendlichen Ankündigungen zu machen.«
Und wirklich, genau in dem Moment, als wir uns hinsetzten, kam Mr. Maurizio mit theatralischem Gebaren in das Gebäude stolziert. »Eine favolosa Vorstellung, von jedem! Und auch unsere neueste Kartenverkäuferin hat eine eccellente Job gemacht. Heute Abend ist eine Fest! Mangiate! Lasst es euch schmecken, famiglia mia! «
Ich kicherte. Hm. Er schlüpft also nicht extra für die Vorstellung in diese Rolle, er ist einfach so.
Ich wandte mich an Cathleen. »Vermutlich soll das bedeuten, dass wir gute Arbeit geleistet haben?«
»Ja«, antwortete sie. »Lass uns essen!«
Ich stellte mich mit Cathleen an, nahm einen Pappteller und türmte grünen Salat darauf, eine große Portion mit Spinat und Käse gefüllter und mit Tomatensoße bedeckter Pasteten, Parmesanhähnchen, und da ich nicht genügend Platz auf meinem Teller hatte, stopfte ich mir eine warme Baguettescheibe in den Mund, schnappte mit eine Flasche Wasser und ging zurück zu meinem Platz, wobei ich nicht umhinkam, den großen Schokoladen-Käsekuchen zum Nachtisch zu bemerken, doch ich schaffte nicht einmal das Essen, das ich auf meinem Teller hatte. Seufzend ließ ich den Käsekuchen links liegen.
Nach dem Abendessen suchte ich mir in dem Gebäude eine ruhige Ecke und rief Sarah und Mike an. Nachdem ich aufgelegt hatte, ging ich zu Matt, der die Essensreste in den Kühlschrank stellte. »Ich habe deinen Dad nicht am Tisch gesehen. Isst er denn nichts?«
»Ich habe ihm einen Teller gebracht. Er war mit dem Tiger beschäftigt.«
»Wie lange arbeitet dein Dad schon mit dem Tiger?«, fragte ich, begierig, mehr über die eindrucksvolle Raubkatze herauszufinden. »Laut der Stellenausschreibung soll ich auch irgendwie bei der Arbeit mit dem Tiger helfen.«
Matt schob eine halb leere Flasche Orangensaft beiseite, zwängte eine Schachtel mit Oliven daneben und schloss den Kühlschrank. »Seit etwa fünf Jahren oder so. Mr. Maurizio hat den Tiger von einem anderen Zirkus gekauft, der ihn wiederum von einem anderen Zirkus hatte. Über seine Herkunft weiß man nichts Genaues. Dad sagt, dass der Tiger nur die Standardtricks ausführt und sich weigert, etwas Neues zu lernen, doch die gute Nachricht lautet, dass er ihm noch nie Schwierigkeiten bereitet hat. Er ist ein ruhiges, fast zahmes Tier, soweit man das von Tigern überhaupt sagen kann.«
»Und was ist dann meine Aufgabe? Ich meine, muss ich ihn etwa füttern?«
»Keine Sorge. Das ist gar nicht so schwer, solange du den großen Zähnen ausweichst.« Matt grinste. »War nur ein Witz. Du wirst das Futter für den Tiger nur von einem Gebäude zum anderen bringen. Sprich morgen mit meinem Dad. Er wird dir alles Notwendige erklären.«
»Danke, Matt!«
Draußen war es noch hell, doch ich würde wieder früh aufstehen müssen, außerdem war ich wirklich erschöpft. Nachdem ich also geduscht, mir die Zähne geputzt und meinen warmen Flanellpyjama angezogen hatte, eilte ich
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