Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
»Du müsstest mittlerweile wissen, dass ich mir nehme, was ich will. Solltest du die Sicht deines Bruders meiner vorziehen und dich neben ihn stellen wollen, kann ich dir gerne behilflich sein.«
Kishan rutschte auf seinem Stuhl hin und her, schwieg jedoch.
»Nein?«, fuhr Lokesh fort. »Nun gut, hiermit berichtige ich die von uns getroffene Abmachung. Dein Bruder wird getötet, sollte er meinen Wünschen nicht nachkommen, und du wirst meine Tochter erst heiraten, sobald du mir deinen Teil des Amuletts ebenfalls überreicht hast. Unsere geheime Absprache kann jederzeit von mir für nichtig erklärt werden, dann gebe ich Yesubai eben einem anderen Mann zur Frau – einem Mann meiner Wahl. Vielleicht wäre ein alter Sultan ohnehin geeigneter, ihr feuriges Blut zu zügeln. Wenn du in Yesubais Nähe bleiben möchtest, wirst du Gehorsam lernen müssen.«
Lokesh, der immer noch Kishans Handgelenk umklammert hielt, drückte zu, bis ein lautes Knacken zu hören war. Kishan verzog keine Miene.
Dann bewegte Kishan vorsichtig seine Finger und das Handgelenk, während er sich zurücklehnte, mit der anderen Hand das gravierte Amulett berührte, das unter seinem Hemd verborgen war, und Augenkontakt mit seinem Bruder suchte. Eine unausgesprochene Botschaft lag in seinem Blick.
Die ganze Zeit ihrer Unterredung über hatte Lokeshs schwarz glühender Blick auf dem Gefangenen gelegen. Und als hätte er nun genug gesehen, sprang Lokesh auf und war mit wenigen Sätzen bei seinem Opfer. »Sei’s drum!« Er zog eine glitzernde Klinge mit juwelenbesetztem Heft aus seinem Gewand und schlitzte den Ärmel von dessen nun schmutzigem, einst jedoch weißem Jodhpur-Mantel auf. Die Stricke scheuerten an den Handgelenken des Prinzen, und er stöhnte vor Schmerz auf, als ihm Lokesh mit dem Messer den Arm der Länge nach aufritzte. Der Schnitt war so tief, dass Blut herausschoss und auf den gefliesten Boden tropfte.
Lokesh zerrte sich einen hölzernen Talisman über den Kopf und hielt ihn unter den Arm des Gefangenen. Blut rann auf das Amulett und das darin eingravierte Symbol glühte feurig rot, bevor es in einem unnatürlich weißen Licht zu pulsieren begann.
Tastenden Fingern gleich kroch das Licht auf den Prinzen zu, griff in seine Brust und krallte sich einen Weg durch seinen Körper. Obschon ein unerschrockener Krieger, hatte der Gefangene solcher Art Schmerz noch nie erlitten. Er schrie auf, als sein Körper plötzlich von einer sengenden Hitze entzündet wurde, und fiel zu Boden.
Er streckte die gefesselten Arme aus, wollte sich wehren, doch er erzeugte lediglich ein schwaches Kratzen auf den kalten weißen Kacheln. Ehe sein Blick erlosch, sah der Prinz, wie sich beide, Yesubai und sein Bruder, auf Lokesh warfen, der sie jedoch mühelos zur Seite stieß. Yesubai stürzte und schlug mit dem Kopf hart auf der Balustrade auf. Der Prinz fühlte, dass sein Bruder überwältigt wurde vom Kummer über Yesubais Tod, er fühlte, dass sein Bruder wieder in seiner Nähe war. Dann fühlte er nichts als den Schmerz.
1 · Kelsey
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K else y
I ch stand am Abgrund. Streng genommen stand ich nur in der Schlange vor dem Schalter für Aushilfsjobs in Ore gon, aber es fühlte sich wie ein Abgrund an. Kindheit, Highschool und die Illusion, dass das Leben es gut mit mir meinte, lagen weit hinter mir. Vor mir lag bedrohlich die Zukunft: College, jede Menge öder Sommerjobs, um etwas zu den Gebühren für das Studium beizutragen, und insgesamt die Aussicht auf ein einsames Erwachsenendasein.
Die Schlange kroch zermürbend langsam vorwärts. Als ich endlich an der Reihe war, trat ich an den Schreibtisch einer gelangweilten, müden Stellenvermittlerin, die gerade am Telefon hing. Die Frau winkte mich heran und gab mir zu verstehen, dass ich mich setzen sollte. Nachdem sie aufgelegt hatte, reichte ich ihr die ausgefüllten Formulare, und sie begann mechanisch mit dem Vorstellungsgespräch.
»Der Name, bitte.«
»Kelsey. Kelsey Hayes.«
»Alter?«
»Siebzehn, fast achtzehn. Ich hab bald Geburtstag.«
Sie stempelte die Formulare ab. »Sind Sie Highschool-Absolventin?«
»Ja. Ich habe meinen Schulabschluss vor ein paar Wochen gemacht. Ich will diesen Herbst an die Chemeketa.«
»Namen der Eltern?«
»Madison und Joshua Hayes, aber mein Vormund sind Sarah und Michael Neilson.«
»Vormund?«
Na schön, dann auf ein Neues. Mein Leben erklären zu müssen, wurde irgendwie nicht einfacher.
»Ja. Meine Eltern sind … verstorben. Sie sind bei einem
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