Kuss des Tigers - Eine unsterbliche Liebe
spielten den Zuschauern Streiche. Einer schüttete einen Eimer Konfetti über den Kindern aus.
Na toll! Wahrscheinlich werde ich das alles auffegen müssen.
Schließlich kam Mr. Maurizio zurück. Dramatische Musik setzte ein, und die Zirkuslichter erloschen mit einem Schlag, als seien sie von einem Geist ausgeblasen worden. Ein Scheinwerfer fand den Zirkusdirektor in der Mitte der Manege. »Und jetzt … der Höhepunkt von unsere programma! Er wurde aus der rauen, wilden giungla, dem Dschungel Indiens, geholt und hierher nach Amerika gebracht. Er ist eine grimmige Jäger, ein cacciatore bianco, der seiner Beute in der Wildnis auflauert, geduldig wartet und den richtige Moment abpasst, und dann … stürzt er sich auf sie!«
Während er redete, brachten Männer einen großen Käfig herein, der die Form einer riesigen umgedrehten Schüssel hatte, mit einem Tunnel aus festem Maschendraht an einer Seite. Sie stellten ihn in der Mitte der Manege ab und ließen Schlösser in Metallringe einrasten, die in Zementblöcken verankert worden waren.
Mr. Maurizio fuhr fort, sein Publikum in Aufregung zu versetzen. Er brüllte regelrecht ins Mikrofon, und die Kinder sprangen allesamt von ihren Sitzen hoch. Ich lachte über Mr. Maurizios Theatralik. Er war ein guter Geschichtenerzähler. »Diese tigre ist molto pericolosa – eines der gefährlichsten Raubtiere auf der ganzen Welt! Seht unserem Dompteur genau zu, wie er seine Leben riskiert, um euch … D-H-I-R-E-N … zu präsentieren!« Er zeigte mit dem Kopf nach rechts und rannte aus dem Rund, als der Scheinwerfer zur Zeltklappe an der Rückseite schwenkte. Zwei Männer hatten einen altmodischen Tierwagen hereingefahren, der aussah wie die Art nostalgischer Wagen, die auf Schachteln mit Tierkeksen für Kinder abgebildet waren. Er hatte ein geschwungenes weißes Dach mit Goldverzierungen, große schwarze Räder, die am Rand weiß bemalt waren, sowie kunstvoll geschnitzte goldene Speichen. Schwarze Metallgitter wölbten sich zu beiden Seiten des Käfigs nach außen.
Eine Rampe, die von der Wagentür herabführte, wurde mit dem Tunnel aus Maschendrahtzaun verbunden, während Matts Dad den Käfig betrat und drei Hocker aufstellte. Er trug ein eindrucksvolles goldenes Kostüm und schwang eine kurze Peitsche.
»Lasst den Tiger frei!«, befahl er.
Die Türen öffneten sich und ein Mann am Wagen schubste das Tier heraus. Ich hielt den Atem an, als unter Trommelwirbel ein riesiger weißer Tiger erschien und majestätisch die Rampe zum Tunnel hinabschritt. Einen Augenblick später war er schon bei Matts Vater im großen Käfig. Die Peitsche knallte, und der Tiger war mit einem Satz auf dem Hocker. Ein weiterer Knall, und der Tiger stand auf den Hinterläufen und durchschnitt mit der Tatze die Luft. Das Publikum brach in stürmischen Applaus aus.
Der Tiger sprang von Hocker zu Hocker, während Matts Vater sie immer weiter auseinanderschob. Beim letzten Sprung wagte ich nicht zu atmen. Ich war nicht sicher, ob es der Tiger zum anderen Hocker schaffen würde, doch Matts Vater spornte ihn an. Das Tier kauerte sich zusammen, maß bedächtig die Entfernung und machte dann einen mächtigen Satz.
Sein ganzer Körper schien für mehrere Sekunden schwerelos in der Luft zu liegen, die Beine weit nach vorne und hinten ausgestreckt. Es war ein herrliches Tier. Als der Tiger den Hocker mit den Vorderpfoten berührte, verlagerte er das Gewicht und landete anmutig auf den Hinterläufen. Dann drehte er sich auf dem kleinen Schemel, wobei er seinen riesigen Körper geschickt zu bewegen wusste, und saß nun seinem Dompteur Auge in Auge gegenüber.
Ich klatschte sehr lange, völlig überwältigt von dem eindrucksvollen Geschöpf.
Der Tiger brüllte auf Befehl, stand auf den Hinterläufen und durchschnitt mit den Pfoten die Luft. Matts Vater gab einen weiteren Befehl. Der Tiger sprang vom Hocker und lief im Kreis durch den Käfig. Der Dompteur beschrieb ebenfalls einen Kreis, die Augen fest auf das Tier gerichtet. Er zeigte mit der Peitsche auf den Schwanz des Tigers und trieb ihn zum Weiterlaufen an. Matts Vater gab einem jungen Mann ein Zeichen, der ihm daraufhin einen großen Reifen durch die Käfiggitter reichte. Der Tiger machte einen Satz durch den Reifen, drehte sich dann rasch um und sprang zurück, wieder und wieder.
Als letzte Zirkusnummer sollte der Dompteur den Kopf in das Maul des Tigers stecken. Atemlose Stille befiel das Publikum, und Matt versteifte sich. Der Tiger riss das Maul
Weitere Kostenlose Bücher