Kuss Mit Sosse
brauchen, um von zu Hause zu fliehen, und spielt Karten oder hängt einfach nur ab. Ich sagte Hallo, und er brummte irgendwas Unverständliches.
Ich schob mich durch die Pendeltür, die das Esszimmer von der Küche trennt, und mir verschlug es den Atem: Reihenweise Spareribs auf Backpapier lagen auf der Arbeitsfläche, auf dem kleinen Küchentisch standen Töpfe und Schüsseln mit rotem Zeug, braunem Zeug und kastanienfarbenem Zeug, dazu Pfeffermühlen mit Cayenne-Pfeffer, Chili-Pfeffer und schwarzem Pfeffer, diverse Flaschen mit scharfen Saucen und, aufgeschlagen bei den Grillgerichten, mehrere Kochbücher. Die Kochbücher und die beiden Köchinnen Lula und Grandma waren mit bunten Saucenflecken gesprenkelt. In der Ecke stand meine Mutter und starrte mit glasigen Augen auf die Katastrophe, die sich in ihrer Küche ereignete.
»Hola amiga«, begrüßte mich Lula. »Ich hoffe, du hast Hunger mitgebracht, wir haben nämlich was Saugeiles gekocht.«
Grandma und Lula sahen ein bisschen aus wie Dick und Doof. Lula, ganz aufgedunsen in ihrer üppigen Figur, platzte aus allen Nähten, Grandma dagegen glich eher einem Ballon, aus dem die Luft herausgelassen worden war. Das Gesetz der Schwerkraft war nicht gnädig zu ihr gewesen, doch den Mangel an Collagen machte sie durch aufrechte Haltung und grellrosa Lippenstift wett. Sie war zu meinen Eltern gezogen, nachdem Grandpa sich auf der Suche nach dem ewigen Leben zum Flatrate-Frühstücksbuffet in den Himmel verabschiedet hatte.
»Wir haben ein Vier-Sterne-Essen vorbereitet«, sagte Grandma. »Ich habe noch nie gegrillt in meinem Leben. Aber ich glaube, jetzt haben wir den Dreh raus.«
»Deine Oma wird meine Assistentin bei dem Kochwettbewerb«, erklärte Lula. »Wenn du willst, kannst du meine zweite Assistentin sein. Jeder Teilnehmer muss zwei Assistenten haben.«
»Wir besorgen uns noch Kochmützen und Schürzen, damit wir auch wie Profis aussehen«, sagte Grandma. »Sogar unsere Namen werden auf die Schürze gestickt. Ich überlege, ob ich das Kochen nicht zum Beruf machen soll. Wenn ich erst mal die Mütze und die Schürze habe, kriege ich vielleicht auch einen Job als Köchin in einem Restaurant.«
»Ohne mich«, stellte Lula klar. »Ich hätte keine Lust, in einem Restaurant zu arbeiten. Wenn ich den Wettbewerb gewonnen habe, kriege ich meine eigene Fernsehshow.«
»Dann könnte ich dir an meinem freien Tag aushelfen«, bot Grandma sich an. »Ich wollte schon immer mal ins Fernsehen.«
Ich sah mir die Spareribs etwas näher an. »Wie habt ihr die gekocht?«
»Die sind gebacken«, sagte Lula. »Eigentlich müssten sie gegrillt werden, aber wir haben keinen Grill, deswegen haben wir sie im Ofen gebacken, was das Zeug hält. Wenn erst mal die Sauce darübergegossen wird, merkt man es sowieso nicht mehr. Die wollten wir jetzt gerade machen.«
»Wir probieren einen Haufen verschiedene Saucen aus«, sagte Grandma. »Die sind alle aus dem Supermarkt, aber wir peppen sie natürlich noch kräftig auf.«
»Ich glaube nicht, dass das erlaubt ist«, sagte ich. »Es soll ein ganz eigenes, selbst erfundenes Rezept sein.«
Lula schüttete eine Portion scharfe Sauce und einige Chilischoten in eine Schüssel mit roter Flüssigkeit. »Wenn die Sauce nicht mehr in der Flasche ist, ist es meine Sauce. Außerdem habe ich gerade meine Geheimzutaten zugegeben.«
»Und wenn sie dein Rezept sehen wollen?«
»Niemals! Mein Rezept kriegt keiner zu sehen«, sagte Lula und drohte mir mit dem Finger. »Sonst wird es mir noch geklaut. Wenn ich mein Rezept verrate, steht es morgen unter anderem Namen im Regal. Ich bin doch nicht blöd. Mein preisgekröntes Rezept behalte ich für mich. Das nehme ich mit ins Grab.«
»Soll ich die Sauce jetzt auf diese Dinger hier verteilen?«, fragte Grandma.
»Ja. Aber pass auf, dass die Stücke auch von jeder Sauce etwas abkriegen. Ich bin schließlich die Köchin, ich habe die empfindlichsten Geschmacksnerven und muss alles kosten. Aber wir wollen natürlich auch wissen, was die anderen von den Saucen halten.«
Grandma klatschte Sauce auf die Spareribs, und Lula besah sie sich kritisch.
»Ich will ihnen noch die letzte Geschmacksnote verpassen«, sagte sie, nahm diverse Gewürzgläser aus dem Küchenregal meiner Mutter und schüttete die Gewürze für Kürbiskuchen auf das Fleisch. »Diese Spareribs werden meine Festtags-Spareribs!«
»Auf die Idee wäre ich nie gekommen«, sagte Grandma.
»Deswegen bist du ja auch nur mein Küchenhelfer, und
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