Kuss Mit Sosse
abwesend warst?«
»Ich war mit den Gedanken woanders.«
»Solange du noch jedes Mal zurückkommst.«
Ich erzählte ihm von meinem Gespräch mit Hal und Ramon.
»Vertrauen ist das A und O in unserem Geschäft«, sagte Ranger. »Zu fünfundneunzig Prozent ist die Arbeit eher profan. Und bei den übrigen fünf Prozent muss man sich absolut darauf verlassen können, dass der Kollege, der dir Rückendeckung gibt, auch seine Arbeit macht. Eine unbekannte Schwachstelle in der Organisation bedeutet zwangsläufig Stress für alle Beteiligten.«
Ich verließ Rangers Büro und setzte meinen Spaziergang durchs Haus fort. An Türen lauschen oder in Akten stöbern konnte ich schlecht, denn ich wurde permanent überwacht. Ich spähte in die Konferenzräume und schlenderte Flure entlang. Auch im Sportstudio sah ich kurz vorbei, ließ aber die Umkleidekabine aus. Die Garage, der Schießstand und der Hochsicherheitsbereich mit den Lagerräumen waren unterirdisch, dort ging ich nicht hin. Die Männer, denen ich begegnete, nickten mir höflich zu und kehrten dann wieder zurück an ihre Arbeit. Keine Aufforderung, zu bleiben und zu plaudern.
Ich ging zurück zu Ranger. »Du hast eine gut geölte Maschine«, sagte ich. »Alles sieht sauber und ordentlich und gut behütet aus.«
Beinahe hätte er die Stirn gerunzelt. »Mehr hast du nicht herausgefunden? Das ist alles?«
»Ja.«
»Wie viel bezahle ich dir?«
»Zu wenig.«
»Wenn du mehr Geld haben willst, musst du auch mehr Dienste leisten.«
»Fängst du wieder an, mit mir zu flirten?«
»Nein. Ich versuche dich zu bestechen.«
»Ich überlege es mir.«
»Möchtest du es dir nicht beim Abendessen überlegen?«
»Nein. Ich kann nicht«, sagte ich. »Ich habe Lula versprochen, ihre Barbecuesauce zu probieren.«
5
Kurz nach fünf lief ich im Büro ein. Connie ordnete einige Unterlagen, von Lula war dagegen nichts zu sehen.
»Wo steckt Lula? Eigentlich wollten wir heute Abend grillen und ihre Barbecuesauce probieren.«
»Es hat sich herausgestellt, dass Lula nur eine einzige Kochplatte in ihrer Wohnung hat, und die Spareribs passten nicht in die Pfanne. Deswegen musste sie sich eine andere Küche suchen.«
»Sie hätte bei mir kochen können.«
»Ja, auf die Idee ist sie auch gekommen, aber wir hatten keinen Schlüssel zu deiner Wohnung. Und dann haben wir uns gedacht, dass du vielleicht gar nicht die nötigen Utensilien hast.«
»Ich habe einen Topf und eine Pfanne. Kocht sie jetzt bei dir?«
»Bist du wahnsinnig? Lula würde ich niemals in meine Küche lassen. Die darf ja nicht mal meine Kaffeemaschine im Büro anfassen.«
»Wo ist sie denn jetzt?«
»Bei deinen Eltern. Sie ist schon den ganzen Nachmittag da, kocht zusammen mit deiner Oma.«
Ach du Schreck! Mein Vater ist italienischer Abstammung, meine Mutter ungarischer. Ich wüsste nicht, dass jemals eine Speise zu Hause auf unserem Tisch gestanden hätte, die auch nur im Entferntesten an Barbecuesauce erinnert. Meine Eltern besitzen nicht einmal einen Grill. Hotdogs und Hamburger werden bei meiner Mutter in der Pfanne gebraten.
»Ich fahre besser mal rasch vorbei und schaue, wie es so läuft«, sagte ich zu Connie. »Willst du mitkommen?«
»Keine Lust. Kein bisschen.«
Meine Eltern und meine Oma, Grandma Mazur, wohnen in einem handtuchschmalen zweigeschossigen Haus, Wand an Wand mit den Nachbarn. Die ungefähr dreihundertjährige Frau in der anderen Hälfte des Zweifamilienhauses hat ihre Seite lindgrün gestrichen, weil die Farbe damals im Angebot war. Die Seite meiner Eltern ist senfgelb und braun. Seit ich denken kann ist das so. Das Haus, weder die eine noch die andere Hälfte, würde es jemals auf das Cover von Architektur und Design schaffen, aber es passt in das Viertel, und es ist mein Zuhause.
Ich parkte am Straßenrand hinter Lulas Firebird und ging ins Haus. Sonst empfingen mich entweder meine Oma oder meine Mutter immer schon an der Tür, getrieben durch irgendeinen geheimnisvollen weiblichen Instinkt, der ihnen mein Kommen ankündigt. Heute waren sie in der Küche beschäftigt.
Mein Vater kauerte wie üblich in seinem Lieblingssessel vor dem Fernseher. Er ist Rentner, war früher bei der Post, verdient sich aber noch halbtags als Taxifahrer ein bisschen Geld dazu. Frühmorgens holt er einige Leute ab und chauffiert sie zum Bahnhof, doch die meiste Zeit steht das Taxi in unserer Einfahrt oder vor der Lodge. Dort trifft er sich gerne mit anderen Männern seines Alters, die auch einen Grund
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