Kussen hat noch nie geschadet
Orgasmus konnte sie sich selbst verschaffen, allerdings konnte sie sich nicht eine Tiefengewebsmassage verabreichen oder sich Gänseblümchen auf die eigenen Fußnägel malen.
Sie wandte sich von Conners Zimmer ab und lief weiter über den Gang. Verabredungen mit Männern standen auf ihrer Prioritätenliste ganz unten. Wenn Conner älter wäre und ihre Firma ihr nicht mehr so viel abverlangte, wäre sie vielleicht bereit, den Punkt »Männer kennenlernen« auf ihrer Liste weiter nach oben zu schieben.
Licht strömte durch die offene Tür und fiel über den beigefarbenen Teppich bis auf die in Dunkelblau und Rot gehaltene Transformers -Decke. Während Sam das Zimmer durchquerte, lockerte er seine Krawatte. Er knöpfte seinen Hemdkragen auf und blieb in dem Lichtfleck am Bett seines Sohnes stehen. Conner lag mit geschlossenen Augen auf der Seite und atmete langsam und gleichmäßig. Genau wie Sam schlief Conner immer tief und fest und gab Wärme ab wie ein Backofen. Sein blondes Haar stand am Hinterkopf ab, und seine Hände waren ausgestreckt und schienen nach etwas zu greifen.
Als er seinen Sohn damals zum ersten Mal sah, hatte sein Herz in seiner Brust gezittert und der Boden unter seinen Füßen gebebt. Er hatte Angst gehabt, ihn anzufassen; er war überzeugt gewesen, dass er blaue Flecke davontragen würde, dass er ihn fallen lassen oder zerbrechen könnte. Damals hatte Conner nur 2,7 Kilo gewogen und in so einem blauen Strampler-Ding gesteckt. Die ungeheuere Last der Verantwortung hatte Sam getroffen wie eine Keule vor den Kopf. Er hatte nie die Absicht gehabt, Vater zu werden, weil er wusste, dass er wahrscheinlich nicht gut darin wäre, und die Ironie des Ganzen war ihm nicht entgangen. Für einen Mann, der es mied wie die Pest, dass sich jemand auf ihn verließ, hatte er die größte Verantwortung, die man im Leben nur haben konnte, in die Arme gelegt bekommen. Und das alles nur, da er unverantwortlich gehandelt hatte.
Er verließ Conners Zimmer und blieb an der Tür stehen, um noch einen letzten Blick auf seinen kleinen Jungen zu werfen. Er liebte seinen Sohn. Mit einer Leidenschaft, von deren Existenz er nichts geahnt hatte, bis er zum ersten Mal in sein winziges Gesichtchen geschaut hatte. Allerdings wusste er nicht immer etwas mit ihm anzufangen.
Er knöpfte seinen Kragen auf und zog sich die Krawatte vom Hals. Als er Conner zum ersten Mal gesehen hatte, stand das Ergebnis des Vaterschaftstests schon fest, aber er hatte gar keinen Test gebraucht, um zu wissen, dass das Kind von ihm war. Conner schaute aus wie er. Mit blonden Haaren und blauen Augen. Conner war groß für sein Alter, und Sam hatte davon geträumt, seinem Sohn das Schlittschuhlaufen beizubringen. Doch auch wenn Conner aussah wie ein LeClaire, Schlittschuh lief er gar nicht gern. Was unbegreiflich war, wenn man bedachte, dass der Junge ein LeClaire war. Und noch dazu Halbkanadier.
Die wenigen Male, die Sam versucht hatte, es ihm beizubringen, hatte Conner bei jedem Sturz geweint. Beim Eishockey war Flennen verpönt, und nach dem fünften Versuch hatte Sam es aufgegeben. Verdammt, Conner hatte in der letzten Saison nicht mal auf der Tribüne gesessen, als sein Vater den Stanley-Cup gewonnen hatte. Er war mit einer Erkältung zu Hause geblieben. Sicher, Conner war erst fünf, aber Sam war mit fünf schon zwei Jahre lang Schlittschuh gelaufen und hätte sich unter keinen Umständen von einer Lappalie wie einer Erkältung davon abhalten lassen, sich das Endspiel der Play-offs anzusehen. Er gab Autumn die Schuld. Sie hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie Eishockey für zu gewalttätig hielt.
Er schüttelte seinen Blazer ab und lief durch den Gang. Wegen der vielen Stanley-Cup-Veranstaltungen vergangenen Sommer hatte er nicht viel Zeit mit seinem Sohn verbracht. Und jetzt, wo die Vorschule und die Eishockey-Saison wieder begannen, würden sie sich sogar noch seltener sehen. Begeistert war er nicht darüber, doch er konnte es nicht ändern.
Die Tür zum Gästezimmer war nur angelehnt, und er machte sie zu. Dort schlief Natalie, seine neueste Assistentin. Sie war jung und schön und schien ihre Arbeit gut zu machen. Aber was das Wichtigste war, Conner mochte sie.
Die Rollläden im großen Schlafzimmer standen offen, und die Lichter der Seattler Skyline ergossen sich über den Boden bis zu dem breiten Doppelbett. Er machte Licht und sah auf seiner weißblauen Bettdecke einen Zettel liegen. Er war von Natalie, die ihn darüber
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