Kussen hat noch nie geschadet
für Conner gekauft hatte. Vince vertrat die Meinung, dass Conner sich zu viel mit Mädchen abgab und eine männliche Bezugsperson und männliches Spielzeug brauchte. Autumn fand das zwar lächerlich – aber egal. Conner liebte Vince heiß und innig und war gern mit ihm zusammen. Gott allein wusste, wie wenig Zeit sein Vater für ihn übrighatte.
In der Stille des Hauses knarrten die Treppenstufen unter ihren Füßen. Normalerweise liebte sie diese Ruhe. Sie genoss die wenigen Mußestunden, wenn sie Conner ins Bett gebracht hatte. Sie genoss es, Zeit für sich zu haben und einmal nicht arbeiten, das Abendessen kochen oder ihrem Fünfjährigen stets einen Schritt voraus sein zu müssen. Sie genoss es, in einer Zeitschrift zu blättern, während sie sich in der Badewanne entspannte, aber wenn Conner gar nicht da war, gefiel ihr das auch nicht. Selbst jetzt noch, nachdem er schon seit Jahren gelegentlich bei seinem Dad übernachtete, war sie nach wie vor unruhig, wenn sie wusste, dass ihr Kleiner nicht in seinem Bett lag.
Sie durchquerte das dunkle Wohnzimmer und betrat die hell erleuchtete Küche. Sie legte ihre Tote Bag auf den Tisch, öffnete den Kühlschrank und schnappte sich eine Tüte Fadenkäse. An die Kühlschranktür hatte Conner mit Magnetbuchstaben »Hallo, Mommy!« geschrieben und ein neues Bild daran befestigt, das er mit Buntstiften für sie gemalt hatte, als sie bei der Arbeit war: eine Figur mit rotem Pferdeschwanz und grünen Augen, deren Arme unterschiedlich lang waren und die eine kleinere Figur mit gelben Haaren und einem breiten Grinsen an der Hand hielt, dazu eine Sonne in knalligem Orangerot und grünes Gras. Etwas abseits davon hatte er eine weitere Figur mit langen Beinen und gelben Haaren gemalt.
Sam.
Autumn riss die Tüte mit dem Käse auf und warf die Verpackung weg. Sie zog einen langen Faden heraus und biss ein Stück davon ab. In den letzten Monaten hatte Conner begonnen, Sam sporadisch in seine Familienbilder zu integrieren, aber immer mit ein bisschen Abstand. Was, wie Autumn fand, eine völlig korrekte Darstellung seiner Beziehung zu seinem Dad war. Sporadisch. Mit ein bisschen Abstand.
Sie schnappte sich ein Glas aus dem Schrank und schenkte sich gefiltertes Wasser ein. Als sie Sam heute Abend wiedergesehen hatte, war es ihr schwergefallen, sich daran zu erinnern, was sie damals an ihm so faszinierend gefunden hatte. Klar, er war noch immer fantastisch und reich und besaß noch dieselbe magnetische Anziehungskraft. Er war groß und muskulös und eine lebende Legende, doch mit ihren dreißig Jahren war sie zum Glück nicht mehr so naiv wie mit fünfundzwanzig.
Sie hob das Glas an die Lippen und nippte daran. Es war ihr peinlich zuzugeben, sogar sich selbst gegenüber, dass sie jemals so naiv gewesen war. Sie hatte Sam geheiratet, obwohl sie ihn erst fünf Tage kannte, weil sie sich rettungslos in ihn verliebt hatte. Es war naiv gewesen, hatte sich aber sehr real angefühlt.
Gedankenverloren starrte sie auf ihr Spiegelbild im Fenster über der Spüle und ließ ihr Wasserglas sinken. Wenn sie auf jene Zeit in ihrem Leben zurückblickte, konnte sie nur schwer glauben, dass sie damals wirklich so empfunden hatte. Dass sie einen Mann geheiratet hatte, den sie erst so kurze Zeit kannte. Dass ihr Herz bei seinem Anblick dahingeschmolzen war wie Butter. Dass sie sich derart schnell und heftig in ihn verliebt hatte. Schwer zu glauben, dass sie eine Frau gewesen war, die derart impulsiv handelte.
Vielleicht war es passiert, da ihr Leben damals einen echten Tiefpunkt erreicht hatte. Nur wenige Monate vor diesem schicksalhaften Ausflug war ihre Mutter an Darmkrebs gestorben. Vince war zu der Zeit bei der Navy und hatte mit seiner SEAL-Spezialeinheit an einer seiner Furcht einflößenden Geheimoperationen teilgenommen – und sie war allein gewesen. Mutterseelenallein, und zum ersten Mal seit zwei Jahren hatte sie sich um niemanden kümmern müssen als um sich selbst. Hatte niemanden zu Arztterminen oder Chemo- oder Strahlentherapien fahren müssen.
Nach der Beerdigung, als sie das Leben ihrer Mutter in Kisten verpackte, um den Nachlass vorläufig einzulagern, hatte sie keinerlei Verpflichtungen mehr gehabt, und zum ersten Mal im Leben hatte sie sich allein gefühlt. Zum ersten Mal war sie wirklich allein gewesen. Allein mit nur zwei Dingen, die sie auf ihrer langen To-do-Liste noch abhaken musste. Das Haus verkaufen und nach Las Vegas fliegen, um sich eine überfällige Auszeit zu
Weitere Kostenlose Bücher