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Kusswechsel

Kusswechsel

Titel: Kusswechsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Evanovich
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meinem Schicksal entgegen. Die Katholikin in mir brach durch. Was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu.
    Ich gab die Suche nach dem Reifenheber auf. Wahrscheinlich steckte er unter dem Ersatzreifen. Und ich konnte mir noch so viel Mühe geben, meine Position zu verändern, ich kam mit meiner Hand einfach nicht unter den Reifen. Deswegen konzentrierte ich meine ganze Energie darauf, zu schreien und gegen den Deckel zu treten. An Ampeln blieb das Auto stehen, an Kreuzungen hielt es an, und vielleicht würde mich ja jemand hören.
    So vertieft war ich in mein Tun, dass ich den Moment, als der Motor ausgeschaltet wurde, ganz verpasste. Ich brüllte wie am Spieß, da wurde die Klappe geöffnet, und ich sah in die Gesichter der Männer, die mich verschleppt hatten. Nach all meinen vorherigen Errettungen – jetzt war ich auf der anderen Seite.
    Ich hatte mir immer vorgestellt, dass ich in so einer Situation in erster Linie Angst empfinden würde, aber jetzt war kalte Wut das beherrschende Gefühl. Man hatte mich von der Geschenkeparty meiner Schwester weggeholt. Eine ungeheuerliche Frechheit! Außerdem war ich noch immer auf Diät und daher total übel gelaunt. Auf der Party sollte es Fleischbällchen geben. Und Biskuittorte. Kontinuierlich hatte ich mich in einen regelrechten Zorn hineingesteigert, während ich in dem Kofferraum lag und an die Biskuittorte dachte. Jetzt glotzte ich in die degenerierten Fressen dieser Pennertypen, die mich entführt hatten, und am liebsten hätte ich sie angesprungen und ihnen meine Daumen in die Augenhöhlen gedrückt. Ich wollte sie mit den Fingernägeln auskratzen, bis das Blut spritzte.
    Unter Beschimpfungen wurde ich aus dem Kofferraum gehievt und über die Straße zu einem Mini-Spielplatz geschleppt. Die Ausstattung des Spielplatzes war nur noch rudimentär vorhanden und die Geräte über und über mit Gang-Graffitis besprüht, der Boden übersät mit Flaschen, Dosen und Verpackungsmüll. Die Beleuchtung war gespenstisch. Viel Schatten und von einer Straßenlampe über uns ein verwässertes grünliches Licht.
    Der Spielplatz war von viergeschossigen Wohnhäusern aus Backstein umgeben. Die Fenster zum Platz hin waren allesamt geschlossen, die Rollos heruntergezogen. Niemand wollte sehen oder hören, was hier unten vor sich ging. Wir befanden uns hier mitten im Siebenhunderter-Häuserblock der Comstock Street, im Herzen von Slayerland.
    Auf dem aufgesprungenen Asphalt hatte jemand einen großen weißen Kreis gemalt. Ich wurde in den Kreis gestoßen, und die Mitglieder der Gang versammelten sich darum herum, wobei sie streng darauf achteten, nur ja nicht über die Linie zu treten. Die meisten waren jung, Teenager noch oder Anfang zwanzig. Schwer zu schätzen, wie viele es genau waren, vielleicht zehn, vielleicht fünfzig. Ich war noch immer so blind vor Wut, dass ich sie nicht zählen konnte.
    Ein großer Kerl trat vor, das Gesicht verborgen in der Kapuze seines Sweatshirts. Junkman.
    »Dies ist der Kreis, in dem wir unsere Feinde quälen«, sagte er. »Und jeder, der kein Mitglied ist, ist ein Feind. Drei unserer Feinde haben wir bereits liquidiert. Bist du ein Feind?«
    Ich sagte nichts. Er holte mit der Faust aus und traf mich seitlich im Gesicht. Der Aufprall krachte in meinem Kopf wie ein Gewehrschuss, meine Zähne schnitten in meine Unterlippe, und ich taumelte nach hinten. Die Gruppe johlte, Hände packten nach mir, krallten sich an meiner Jacke fest, rissen an meinem T-Shirt. Ich torkelte zur Seite, opferte die Jacke den grapschenden Männern und sackte auf die Knie.
    Das also ist ihr Spiel, dachte ich, und kroch zur Mitte des Kreises, wo man relativ sicher war. Sie dürfen keinen Fuß in den Kreis setzen, nur Junkman befand sich innerhalb des Kreises. Junkman würde mich so lange schlagen, bis ich von den grapschenden Händen aus dem Kreis herausgezogen wurde. Und wenn ich erst mal außerhalb des Kreises war, war ich der Gang auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, und sie würden alles mit mir anstellen, was eine wahnsinnige verkommene Meute einer Frau antun konnte.
    Junkman stellte mich auf die Beine und landete seinen nächsten Schwinger. Die Wucht des Schlages katapultierte mich an den Rand des Kreises. Ich versuchte gleich wieder, in die Mitte zu entkommen, doch einer der Männer hatte einen Zipfel von meinem T-Shirt mit seiner Faust erwischt, ein anderer hielt mich am Haarschopf. Ich wurde über die Kreislinie gezogen, von Händen weitergereicht

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