Kusswechsel
Kleid im Spiegel sah, habe ich die totale Panik bekommen. Es ist auch nicht nur, weil ich so dick bin. Es ist alles. Das ganze Drumherum. Ich weiß, dass es meine Schuld ist. Ich wollte ja eine große Hochzeit, aber es macht mir echt Angst. Und jetzt muss ich auch noch die Geschenkeparty überstehen. Achtundsiebzig Frauen auf einem Haufen in dem Veteranen-Saal. Gut, dass keine Waffe im Haus ist, ich hätte mir sonst längst den Gnadenschuss verpasst.«
»Die Geschenkeparty mit den Frauen sollte eine Überraschung sein.«
»Ich habe sie ja selbst vorbereitet! Was habe ich mir bloß dabei gedacht? Und was ist überhaupt, wenn diese Ehe nicht funktioniert? Bei meiner ersten Ehe habe ich auch gedacht, die ist perfekt. Ich hatte ja keine Ahnung!«
»Albert ist ein netter Mensch. Jedenfalls erwischst du den nicht mit dem Babysitter im Garderobenschrank. Mit Albert kannst du dich auf ein schönes bequemes Leben einrichten.«
Das konnte ich von den beiden Männern in meinem Leben nicht behaupten. Das waren unbeständige dominierende Alpha-Männchen. Ob mit dem einen oder dem anderen, das Leben wäre niemals langweilig, aber es wäre auch nicht einfach.
»Du kannst immer noch abhauen«, sagte ich zu Valerie.
»Geh einfach weg, heirate in aller Stille und führ dein normales Leben weiter.«
»Das könnte ich Mom niemals antun.«
»Vielleicht wäre sie erleichtert.«
Zugegeben, das war egoistisch von mir, denn ich hatte keine Lust, das blöde Auberginenkleid anzuziehen. Trotzdem fand ich das einen brauchbaren Ratschlag von mir.
»Ich überlege es mir noch«, sagte Valerie.
»Sag nur keinem, dass ich dir den Floh ins Ohr gesetzt habe.«
Ich legte auf und ging in die Küche, um Rex zu begrüßen. Als ich ein paar Frosted Flakes in den Käfig geworfen hatte, kam Rex aus seiner Suppendose angewetzt. Seine Barthaare zitterten. Er stopfte sich die Flakes in die Backen und wetzte wieder zurück in seine Suppendose.
Schön und gut. Aber was jetzt? Was machen Leute bloß den ganzen Tag, wenn sie nichts zu tun haben?
Ich schaltete den Fernseher ein und zappte mich durch ungefähr vierzig Kanäle, fand aber nichts. Wie konnte das sein, dass es auf so vielen Kanälen nichts Interessantes gab?
Ich rief im Büro an.
»Was liegt an?«, fragte ich Connie.
»Ranger war da. Er sucht noch immer nach Junkman. Und er ist in guter Gesellschaft. Jeder Kopfgeldjäger und jeder Polizist im ganzen Land sucht nach Junkman. Hast du schon von dem neuen Mord gehört?«
»Ja.«
»Und auch das mit Pancek? Kopfschuss, an der Kreuzung Comstock und Seventh. Irgendwie hat er es geschafft, noch vier Straßen weiter zu fahren, bevor er das Bewusstsein verloren hat und mit seinem Auto verunglückt ist. Er liegt jetzt im St. Francis. Sieht wohl so aus, als würde er durchkommen.«
»Meine Schuld«, sagte ich. »Ich habe ihn bis nach Slayerland verfolgt.«
»Falsch«, sagte Connie. »Du bist ihm nach Slayerland gefolgt. Da du nicht hier bist, gehe ich davon aus, dass du dich versteckt hältst.«
»So sieht es aus. Aber langsam wird es langweilig.«
Ich legte auf und schlurfte ins Schlafzimmer, um ein Nickerchen zu machen. Ich stand am Bettrand und konnte mich nicht dazu überwinden, mich hinzulegen und die perfekt gebügelte Bettwäsche in Unordnung zu bringen. Als Nächstes guckte ich im Badezimmer vorbei, aber geduscht hatte ich schon. Ich ging zurück in die Küche und rüttelte an Rex’ Käfig.
»Aufstehen, du blöder Hamster!«, sagte ich. »Ich langweile mich.«
Leises Rascheln, und Rex verkroch sich noch tiefer in der Suppendose.
Ich konnte das Gebäude erkunden, aber dafür müsste ich in Kontakt mit Rangers Männern treten. War ich dazu bereit? Bestimmt hielten sie ihre Betäubungspistolen im Anschlag, sollte ich einen Ausbruchsversuch unternehmen.
Ich rief Ranger auf seinem Handy an.
Ranger antworte mit einem leisen »Yo.«
»Auch Yo«, sagte ich. »Ich werde noch verrückt hier. Was soll ich bloß machen? Im Fernsehen läuft nichts Vernünftiges. Es gibt keine Bücher oder Zeitschriften in der Wohnung. Nichts zu sticken oder häkeln oder stricken. Und jetzt sag nicht, ich soll in den Fitnessraum gehen. So weit kommt’s noch.«
Ranger legte auf.
Ich drückte die Wahlwiederholung. »Was sollte das denn?«, fragte ich. »Du hast mich aus der Leitung geworfen!«
»Babe«, antwortete Ranger nur. Ich seufzte und legte auf.
Kurz nach sechs Uhr kam Ranger durch die Tür spaziert. Er warf die Hausschlüssel auf den Teller und ging
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