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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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Oberfläche der Wirklichkeit! Und tatsächlich schien alles so zu kommen. Voluptikus, der auf die süße Umarmung der Prinzessin brannte, rannte die Mauer im Schatten der Kreuzgänge entlang und strebte der engelsgleichen, vom Mondlicht übergossenen Schönheit zu, als plötzlich der alte Torhüter auftauchte und ihm mit seiner Hellebarde den Weg versperrte. Der König hob bereits die Hand mit dem Beutel voller Dukaten, doch als er deren angenehme Schwere in der Hand spürte, fiel es ihm furchtbar schwer, sich von ihnen zu trennen, denn war es nicht jammerschade, solch ein Vermögen für eine einzige Umarmung zu verschwenden?
    »Hier hast du einen Dukaten«, sagte er und öffnete den Beutel, »und nun laß mich passieren!«
    »Ich will zehn!« antwortete der Torhüter.
    »Was? Zehn Dukaten für eine Umarmung?« lachte der König höhnisch. »Du bist wohl nicht bei Trost?«
    »Zehn Dukaten!« sagte der Torhüter. »Das ist der Preis!«
    »Kannst du mir nicht einen Dukaten nachlassen?«
    »Keinen einzigen, edler Herr!«
    »So steht es also!« schrie der König, der eine Neigung zum Jähzorn besaß. »Na gut, du Schuft, dann bekommst du eben gar nichts!« Woraufhin ihm der Torhüter einen solch mächtigen Schlag mit der Hellebarde versetzte, daß ihm der Kopf dröhnte und sich alles um ihn zu drehen begann, die Kreuzgänge, der Brunnen, die Zugbrücke; dann stürzte Voluptikus mitsamt dem Traum ins Nichts, um in der nächsten Sekunde die Augen aufzuschlagen und an der Seite Perfidolins, gleich neben dem Träumenden Schrank, aufzuwachen. Der Kybernerianer war zutiefst bestürzt, denn es schoß ihm durch den Kopf, daß seine Pläne schon zum zweiten Mal gescheitert waren, zunächst an der Feigheit und nun an der Habgier des Königs. Doch Perfidolin machte gute Miene zum bösen Spiel und bat den König höflich, sein Herz an einem anderen Traum zu erfreuen.
    Diesmal wählte Voluptikus den Traum »Durch Liebesessenz zur Schraubenpotenz«. Er verwandelte sich augenblicklich in Debilitus Paralysius, Herrscher von Epilepont und Malazien, einen uralten Tattergreis und unverbesserlichen Wüstling, dessen Seele nach bösen Taten lechzte. Doch was konnte er noch Böses tun mit seinen morschen Gelenken, zitternden Händen und von der Gicht verkrüppelten Füßen? Vielleicht gibt es noch etwas, das mich wieder auf die Beine bringt, dachte er und befahl seinen Degenerälen, Eklampton und Torturius, einen Feldzug zu unternehmen, nach Herzenslust zu morden und zu brennen und soviel Gefangene und Beute zu machen wie nur irgend möglich. Sie taten, wie ihnen geheißen, und sprachen nach ihrer Rückkehr folgende Worte:
    »Herr und Gebieter! Wir haben mit Feuer und Schwert gewütet, geplündert und gebrandschatzt, und hier sind die Gefangenen und die Kriegsbeute: die wunderschöne Adoradora, Jungfräuliche Königin der Entianer und Pentianer, mit all ihren Schätzen!«
    »Häh? Was sagt ihr da? Mit ihren Schätzen?« krächzte der König zitternd vor Gier. »Aber wo ist sie? Ich sehe nichts! Und was knistert und raschelt da so?«
    »Das kommt vom königlichen Kronsofa, Majestät!« brüllten die Degeneräle im Chor. »Das Knistern wird dadurch hervorgerufen, daß sich die Sklavin, die obenerwähnte Königin Adoradora, auf der perlenbesetzten Decke des Kronsofas hin- und herwirft. Das, was raschelt, ist ihr goldbesticktes Gewand, sie wird von Weinkrämpfen geschüttelt, weil ihr große Demütigung und Erniedrigung bevorsteht!«
    »Wie? Demütigung, sagt ihr? Erniedrigung? Das ist gut, sehr gut! Bringt sie her, ich will das arme Ding gleich schänden und entehren!«
    »Das dürfen Majestät nicht tun, mit Rücksicht auf die Staatsraison!« unterbrach ihn der Erste Hofmedikus und Königliche Leibarzt.
    »Wie? Ich darf ihr nicht Gewalt antun, sie nicht entehren? Ich, der König? Bist du von Sinnen? Hab ich denn je im Leben etwas anderes getan?«
    »Gerade deswegen, Königliche Hoheit!« beschwor ihn der Hofmedikus. »Die Gesundheit Eurer Majestät hat unter diesen Exzessen bedenklich gelitten!«
    »Ist das wirklich wahr? Nun … so gebt mir die Axt dort, ich werde ihr den Kopf abschlagen.«
    »Mit Verlaub, Majestät, auch das scheint mir nicht angezeigt. Schon die geringste Aufregung …«
    »Himmeldonnerwetter! Was habe ich dann noch von meinem ganzen Königtum?!« krächzte der König voller Verzweiflung. »Heilt mich auf der Stelle! Macht mich wieder jung und kräftig, damit ich … damit es wieder so wie früher wird … Denn sonst lasse

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