Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
Vom Netzwerk:
König hat eine seltsame Vorliebe für Landschaften, in denen statt der Bäume die Galgen dicht bei dicht stehen. Als Vorwand für seine geheime Leidenschaft dient ihm das Argument, solche Schurken, wie es seine Untertanen nun einmal seien, könne man anders nicht regieren. Auch auf mich hatte er schon ein Auge geworfen, gleich nach meiner Ankunft, als er jedoch bemerkte, daß es mir ein leichtes gewesen wäre, ihn zu Staub zu zermalmen, erschrak er fast zu Tode, denn er hielt es für die natürlichste Sache der Welt, daß ich ihn – da er zu schwach war, mit mir das gleiche zu tun – auf der Stelle vernichten würde. Wohl in der Hoffnung, mich umzustimmen, versammelte er eilends all seine Ratgeber und Weisen um sich, welche mir als Rechtfertigung der Tyrannei eine moralische Doktrin vortrugen, die eigens für Fälle dieser Art konzipiert war. Von diesen käuflichen Weisen erfuhr ich, je schlimmer die Verhältnisse in einem Lande seien, um so größer werde die Sehnsucht nach Verbesserungen und Reformen, folglich tue ein Herrscher, der seinen Untertanen das Leben zur Hölle mache, nichts weiter, als eine tiefgreifende Wende der Dinge zum Besseren zu beschleunigen. Der König war über ihre feierliche Rede hocherfreut, denn deren Quintessenz bestand ja darin, daß niemand auf der Welt so viel für das künftige Heil tue wie er, da er ja durch die entsprechenden negativen Stimuli lediglich dafür sorge, daß aus Weltverbesserungsträumen Taten würden. Folglich müßten deine glücklichen Wesen dem Troglodytos eigentlich ein Denkmal errichten, und du wärst seinesgleichen zu ewigem Dank verpflichtet, nicht wahr?«
    »Eine gemeine und zynische Parabel«, knurrte Trurl, der bis ins Mark getroffen war. »Ich hoffte, du würdest dich mir anschließen, aber nun muß ich leider sehen, daß du nur das Gift des Skeptizismus verspritzen und meine edlen Pläne mit Sophismen zunichte machen möchtest. Bedenke doch, sie sind vielleicht die Rettung für das ganze Universum!«
    »Ach, der Retter des ganzen Kosmos möchtest du werden, mehr nicht?« sagte Klapauzius. »Trurl, es wäre meine Pflicht, dich in Ketten zu legen und solange hinter Schloß und Riegel zu halten, bis du wieder Vernunft angenommen hast, ich befürchte aber, dein Leben könnte darüber hingehen. Daher möchte ich dir nur noch dies sagen: Konstruiere das Glück nicht Hals über Kopf! Versuche ja nicht, das Dasein im Galopp zu vervollkommnen! Selbst wenn es dir gelingen sollte, diese glücklichen Wesen zu schaffen (woran ich zweifle), so schaffst du ja damit nicht ihre Nachbarn aus der Welt, die schon seit langem existieren; und so wird es zwangsläufig zu Neid, Reibereien und Spannungen aller Art kommen, und – wer weiß – vielleicht stehst du dann eines Tages vor einem höchst unerfreulichen Dilemma: Entweder müssen sich diese Glücklichen ihren Neidern unterwerfen oder sie werden gezwungen sein, diese ganze lästige Bande widerwärtiger Krüppel bis auf den letzten Mann niederzumachen; das Ganze natürlich im Namen der universellen Harmonie.«
    Trurl fuhr wutschnaubend hoch, hatte sich aber schnell wieder unter Kontrolle und ließ die bereits erhobenen Fäuste sinken, denn hätte er sie fliegen lassen, so wäre das nicht unbedingt der gelungenste Auftakt für eine Ära des Vollkommenen Glücks gewesen, die zu schaffen er sich fest geschworen hatte.
    »Leb wohl!« sagte er mit eisiger Stimme. »Elender Agnostiker, ungläubiger Thomas, der du dem natürlichen Gang der Dinge sklavisch ergeben bist, nicht Worte, sondern Taten werden unseren Disput entscheiden! An den Früchten meiner Arbeit wirst du schon bald erkennen, daß ich recht hatte!«
    Zu Hause angekommen befand sich Trurl in ernster Verlegenheit, denn der Epilog der Diskussion, die bei Klapauzius stattgefunden hatte, klang ganz danach, als habe er bereits einen fertig ausgearbeiteten Aktionsplan in der Tasche, was jedoch mit der Wahrheit nicht unbedingt übereinstimmte. Offen gesagt, er hatte nicht die blasseste Ahnung, womit er beginnen sollte. Zunächst holte er aus der Bibliothek ganze Berge von Büchern, in denen die Zivilisationen des Universums detailliert beschrieben waren, und verschlang sie in einem atemberaubenden Tempo. Da ihm aber diese Methode, sein Hirn mit den erforderlichen Fakten auszustatten, immer noch zu langsam erschien, schleppte er aus dem Keller achthundert Kassetten mit Quecksilber-, Blei-, Ferritkern- und Kryotronspeichern nach oben, schloß sie alle mit Hilfe von Kabeln an

Weitere Kostenlose Bücher