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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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und subtileren Substanzen – wie anders hätte dann unsere Philosophie ausgesehen! Denn es ist offensichtlich, daß sich die Philosophie unmittelbar vom Baumaterial ihrer Schöpfer herleitet, das heißt, je schludriger ein Wesen in einem Punkt zusammengesetzt ist, um so verzweifelter wünscht es sich, gerade in diesem Punkt vollkommen zu sein. Wenn es im Wasser lebt, vermutet es das Paradies an Land, lebt es an Land, so ist das Paradies natürlich im Himmel; hat es Flügel, so sieht es in Flossen sein ganzes Ideal, hat es aber Beine – so versieht es sein eigenes Porträt mit Flügeln und ruft: ›Ein Engel!‹ Erstaunlich, daß ich dieses Prinzip nicht schon früher bemerkt habe. Wir werden diese Regel Trurls Universelles Gesetz nennen: Entsprechend den Mängeln in der eigenen Konstruktion stellt jedes Geschöpf sein Ideal der absoluten Vollkommenheit auf. Ich muß mir darüber unbedingt eine Notiz machen, dieses Gesetz wird mir sehr zustatten kommen, wenn ich mich daran machen werde, die Grundlagen der Philosophie zurechtzurücken. Jetzt aber, ans Werk! Mein erster Schritt soll ein Entwurf des Guten sein – aber was ist eigentlich das Gute? Es läßt sich bestimmt nicht dort finden, wo es niemanden gibt, der es erfahren kann. Für einen Felsen ist der über ihm rauschende Wasserfall weder gut noch schlecht, auch ein Erdbeben entzieht sich der moralischen Wertung, wenn niemand da ist, der unter ihm leidet. Also muß ich einen Jemand konstruieren. Doch halt, wie soll er überhaupt zwischen Gut und Böse unterscheiden, wenn er das Gute gar nicht kennt, und wie soll er es denn kennenlernen? Nehmen wir einmal an, ich würde beobachten, wie Klapauzius etwas Schlechtes widerfährt. Einerseits wäre ich natürlich sehr betrübt, zum anderen aber wären meine Gefühle durchaus freudiger Natur. Irgendwie ist das eine verzwickte Sache. Es könnte ja jemand im Vergleich zu seinem Nachbarn ein glückliches Leben führen, erfährt er aber nie von seinem Nachbarn, so wird ihm auch nie bewußt werden, daß er wirklich glücklich ist. Sollte ich somit gezwungen sein, zwei Arten von Geschöpfen zu konstruieren? Müssen die Glücklichen, um glücklich zu sein, ständig ihr Ebenbild vor Augen haben, das sich in Qualen windet? Zwar würde der negative Kontrast ihr Glücksgefühl nicht unerheblich steigern, aber das Ganze wäre doch einfach abscheulich. Es wird, es muß auch anders gehen, hier noch ein paar Sicherungen, da einen Transformator … Natürlich kann man nicht gleich mit ganzen Zivilisationen glücklicher Wesen beginnen: Am Anfang sei das Individuum!«
    Trurl krempelte die Ärmel hoch, und innerhalb von drei Tagen erbaute er den Felix Contemplator Vitae, eine Maschine, die alles, was in ihr Blickfeld geriet, mit den rotglühenden Kathoden ihres Bewußtseins in sich aufnahm, und es gab nichts auf der Welt, was sie nicht in helle Freude versetzt hätte. Trurl hockte vor der Maschine und nahm sie kritisch unter die Lupe. Der auf drei Metallbeinen ruhende Kontemplator musterte die Umgebung neugierig durch seine Teleskopaugen, und ob sein Blick auf den Gartenzaun, einen Felsblock oder einen alten Schuh fiel, war völlig gleichgültig, er geriet jedesmal in maßloses Entzücken und stöhnte vor Wonne. Als noch dazu die Sonne unterging, und das Abendrot den Himmel rosig färbte, geriet er in Ekstase und klatschte vor Begeisterung in die Hände.
    »Klapauzius wird natürlich sagen, daß Stöhnen und Händeklatschen allein noch gar nichts besagen«, dachte Trurl mit wachsendem Unbehagen. »Er wird Beweise verlangen …«
    Also installierte er im Bauch des Kontemplators ein Meßgerät von imponierender Größe, versah es mit einem vergoldeten Zeiger und eichte die Skala auf Glückseinheiten, die er »Hedonen« oder kurz »Heds« nannte. Ein Hed entsprach in quantitativer Hinsicht exakt dem Glücksgefühl, das jemand empfindet, dem endlich ein Nagel aus seinem Stiefel entfernt worden ist, nachdem er zuvor vier Meilen damit zurückgelegt hat. Er multiplizierte den Weg mit der Zeit, dividierte durch die Länge des vorstehenden Nagels, setzte den Koeffizienten des geschundenen Fußes vor die Klammer, und so gelang es ihm, das Glück in Zentimetern, Gramm und Sekunden auszudrücken. Trurl registrierte, daß sich seine Stimmung merklich hob. Während er sich über die Maschine beugte und sich an ihren Eingeweiden zu schaffen machte, richtete der Kontemplator seinen starren Blick auf Trurls mehrfach geflickten, ölverschmierten

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