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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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einmal einen Blick auf die Jagdtrophäen Eurer Königlichen Majestät werfen, sozusagen auf das Werk unserer Vorgänger?«
    »Aber natürlich, natürlich!« entgegnete der König nachsichtig und klatschte so kräftig in die Hände, daß Funken aufstoben und die silberbeschlagenen Wände entlangtanzten. Der jähe Windstoß, der durch diese kraftvolle Bewegung hervorgerufen wurde, sorgte dafür, daß sich die Gemüter der beiden abenteuerlustigen Konstrukteure noch weiter abkühlten. Sechs Königliche Leibgardisten in goldstrotzenden Uniformen geleiteten Trurl und Klapauzius in einen schier endlosen unterirdischen Gang, der sich zu immer neuen Mäandern krümmte und wand, so daß er an eine versteinerte Riesenschlange erinnerte; zu ihrer großen Erleichterung gelangten sie schließlich wieder ans Tageslicht, mitten in ein riesiges Terrarium unter freiem Himmel. Hier waren auf überaus sorgfältig gepflegten Rasenflächen König Grausams mehr oder weniger gut erhaltene Jagdtrophäen ausgestellt.
    Ganz in ihrer Nähe befand sich ein gewaltiger Koloß, durch einen furchtbaren Hieb fast in zwei Hälften gespalten, trotz der schweren Stahlplattenpanzerung, die seinen Rumpf hätte schützen sollen; der säbelzahnbewehrte Rüssel schien den Himmel durchbohren zu wollen, die extrem langen Hinterbeine (offensichtlich für riesige Sprünge konstruiert) ruhten auf dem Gras gleich neben dem Schwanz, dessen Spitze in eine automatische Waffe mit halbleerem Magazin einmündete – ein sicheres Zeichen dafür, daß sich dieses Monstrum dem König erst nach hartem Kampf ergeben hatte. Davon legte auch ein gelblicher Fetzen Zeugnis ab, der aus seinem weit geöffneten Rachen heraushing; Trurl erkannte sogleich, daß es sich um die Überreste eines Stiefels handelte, wie ihn die Königlichen Jäger trugen. Dicht daneben lag ein anderes drachenähnliches Ungeheuer mit unzähligen winzigen Stummelflügeln, versengt und geschwärzt durch feindliches Feuer; seine elektrischen Innereien waren durch übergroße Hitze geschmolzen und zu einer Porzellan- und Kupferpfütze erstarrt. Ein anderes Monstrum hatte seine sieben säulenähnlichen Beine im Todeskampf weit von sich gestreckt; eine leichte Brise strich ihm wispernd durch den geöffneten Rachen. In diesem seltsamen Jagdmuseum standen Wracks auf Rädern und Wracks auf Gleisketten, manche mit klauenähnlichen Greifarmen, manche mit Flammenwerfern bestückt, alle geborsten bis auf den letzten Magnetkern; es gab Panzer-Schildkröten mit zerquetschten Geschütztürmen und andere Scheusale, schrecklich zugerichtet und narbenübersät, ausgestattet mit zahllosen Reservegehirnen (total ausgebrannt oder durch rohe Gewalt zerschmettert), es gab hüpfende Ungeheuer mit verbogenen oder ausgerenkten Teleskopstelzen, und es gab bösartige gepanzerte Insekten, die überall umherlagen. Sie waren so konstruiert, daß sie je nach Gefechtslage in großen Schwärmen angriffen oder sich zu einem stählernen Igel zusammenballten, dessen Stacheln aus unzähligen winzigen Gewehrmündungen bestanden, eine raffinierte Idee, die aber weder sie selbst noch ihre unglücklichen Schöpfer vor dem Untergang bewahrt hatte. Durch das Spalier dieser traurigen Überreste schritten Trurl und Klapauzius schweigend, blaß und mit schlotternden Knien; sie sahen aus, als stünden sie kurz vor ihrer eigenen Beerdigung und nicht vor einem neuen Triumph ihres rastlosen Erfindergeistes. Nachdem sie diese Schreckensgalerie bis zum letzten Wrack besichtigt hatten, stiegen sie in eine Karosse, die am weißschimmernden Eingangstor auf sie wartete. Das Drachengespann, das sie in halsbrecherischem Tempo in ihre Residenz außerhalb der Stadt zurückbrachte, kam ihnen längst nicht mehr so furchterregend vor wie ehedem. Sobald sie in ihrem mit karmesinrotem und grünem Samt ausgeschlagenen Arbeitszimmer allein waren, vor einem Tisch, der sich unter der Last feinster Delikatessen und edelster Getränke bog, da löste sich Trurl endlich die Zunge, und er überschüttete seinen Freund mit einem ganzen Schwall übelster Flüche und Verwünschungen; schuld an ihrer gegenwärtigen Misere sei einzig und allein Klapauzius, weil er das Angebot des Meisters der Königlichen Jagd Hals über Kopf akzeptiert und damit nichts als Unglück über ihr Haupt gebracht habe, wo sie doch in aller Ruhe hätten zu Hause bleiben können, um ihren wohlverdienten Ruhm in vollen Zügen zu genießen. Klapauzius wartete in stoischer Ruhe ab, bis Trurl seinem Zorn und

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