Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.
Forschungslaboratorien der Allergeheimsten Polizei des Königreichs gebracht. Geschickte Laboranten in weißen Kitteln öffneten ihren doppelten Boden und holten mit der Pinzette ein Mikrophönchen und ein Magnetophönchen heraus. Hochqualifizierte Experten schalteten den Apparat ein und hörten mit größter Aufmerksamkeit alle Worte ab, die in dem karmesinroten und dunkelgrünen Arbeitszimmer gefallen waren. Jedoch die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne fielen auf lange, verstörte und völlig unaufgeklärte Gesichter, die keinen der so sorgsam abgehörten Sätze verstanden hatten.
Da sagte z. B. eine Stimme:
– Na, was ist? Ist der König so weit?
– Alles klar!
– Ja, wo hast du ihn denn hingesetzt? Hier? Gut! Jetzt paß auf, du mußt die Füße zusammenhalten! Die Füße, sage ich! Idiot, nicht deine eigenen, die des Königs! Und jetzt schnell den Differentialkoeffizienten! Was kommt bei dir raus?
– Pi.
– Und wo ist die Bestie?
– In der Klammer. Aber sieh mal, der König steht immer noch!
– Was, der steht noch? Sofort beide Seiten mit einer imaginären Zahl multiplizieren! Ja, so ist es gut. Und gleich noch einmal, gib’s ihm! Jetzt tausch doch endlich die Vorzeichen aus, du Dummkopf! Guter Gauß, was tust du? Das ist doch die Bestie, nicht der König! Ja, das ist es, jetzt haben wir ihn! So, jetzt nur noch transformieren, approximieren, und dann ab damit in den realen Raum! Hast du’s?
– Ich hab’s! Ach, mein Klapäuzelchen, du bist der Größte, sieh nur, was mit dem König geschehen ist!!
Nach einer kurzen Pause brach jemand in wahnsinniges Gelächter aus.
Am selben Morgen, als alle Experten und hohen Beamten der Geheimpolizei ratlos den Kopf schüttelten und sich nach einer schlaflosen Nacht die rotgeränderten Augen rieben, da baten die Konstrukteure sehr energisch um Quarz, Vanadium, Stahl, Kupfer, Platin, Bergkristalle, Titan, Cerium, Germanium und überhaupt alle Elemente, aus denen der Kosmos zusammengesetzt ist; zusätzlich verlangten sie verschiedene Maschinen, qualifizierte Mechaniker und Spione – ja wirklich, Spione, denn die Konstrukteure waren derart übermütig geworden, daß sie sich erdreisteten, auf das Bestellformular in dreifacher Ausfertigung zu schreiben: »Wir bitten ebenfalls um Spione aller Art und Sorten, ganz nach dem Gutdünken und Ermessen der zuständigen Behörden.« Am nächsten Tag verlangten sie Sägespäne und einen roten Samtvorhang auf ein Gestell drapiert, mit einem Bündel Glasglöckchen in der Mitte und breiten Troddeln an allen vier Ecken; an Präzision ließen sie es nicht fehlen, selbst die Maße der allerkleinsten Glasglöckchen waren auf den Millimeter genau vermerkt. Seine Grenzenlose Grausamkeit machte eine finstere Miene, als er von diesen Forderungen der beiden Frechlinge hörte, veranlaßte jedoch ihre strikte Erfüllung, denn er hatte nun einmal sein königliches Wort gegeben.
Ihre Wünsche aber wurden immer seltsamer und wunderlicher. So befand sich zum Beispiel in den Archiven der Geheimpolizei unter der Code-Nr. 48999711 K/T die Kopie eines Bestellformulars, auf dem sie drei Schneiderpuppen sowie sechs Polizeiuniformen, komplett mit Schärpe, Dienstwaffe, Tschako, Federbusch und Handschellen verlangten, desgleichen die letzten drei Jahrgänge der Zeitschrift »Die Polizei – dein Freund und Helfer«, einschließlich aller Register und Ergänzungslieferungen; in der Rubrik »Bemerkungen« hatten sich die Konstrukteure dafür verbürgt, die aufgelisteten Gegenstände innerhalb von 24 Stunden heil und unversehrt zurückzugeben. In einem anderen Faszikel des Archivs steckte die Kopie eines Briefs, in dem Klapauzius die unverzügliche Lieferung einer Puppe verlangte, die den Generalpostmeister in voller Lebensgröße darstellte, desgleichen eine grün lackierte zweirädrige Kutsche mit einer Petroleumlaterne auf der linken Seite und einer himmelblauen Aufschrift am Heck, auf der in verschnörkelten Buchstaben zu lesen war: ZERBRECHT EUCH NUR DEN KOPF! Die Puppe und die grüne Kutsche gaben dem Polizeichef den Rest, er redete wirres Zeug und mußte in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden. In den drei darauffolgenden Tagen verlangten sie nur ein Faß mit rosa gefärbtem Rizinusöl – und danach nichts mehr. Von nun an arbeiteten sie im Keller ihres Domizils, hämmerten munter drauf los und sangen aus rauher Kehle wilde Weltraumballaden; nach Einbruch der Dämmerung zuckten bläuliche Blitze aus den vergitterten Kellerfenstern
Weitere Kostenlose Bücher