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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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klauenähnliche Füßchen gewachsen, er tollte umher, schlug Rad und versuchte sich auch in anderen Kapriolen.
    »St. Kybertus, steh mir bei!« stöhnte der König. »Muß ich alles kurz und klein hacken, bis nur noch Mäuse und Regenwürmer um mich sind? Was bleibt da noch vom edlen Waidwerk?« Vom heiligen Zorn gepackt schlug er wild um sich, verteilte Stich und Hieb und schonte auch die Streitaxt nicht, bis es am Boden von kleinen Bestien nur so wimmelte; die aber ergriffen plötzlich alle die Flucht, drängten und preßten sich eng aneinander, und schon stand ihm wieder eine einzige Bestie gegenüber, die mühsam ein Gähnen unterdrückte.
    »Spaß macht die Sache nicht gerade!« dachte der König. »Offensichtlich hat das Biest die gleichen Rückkopplungen, mit denen mich dieser … wie war doch gleich sein Name? … richtig, dieser Pumpkington hereinlegen wollte. Ich geruhte seinerzeit, ihn wegen Phantasielosigkeit eigenhändig zu enthaupten. Nun gut, wir werden der Bestie mit der Antimaterie-Artillerie einheizen …«
    Und er ließ sich eine Kanone (Kaliber sechs Zoll) heranrollen, justierte selbst, zielte und feuerte ohne allen Rauch und Donner ein unsichtbares Geschoß auf das Ungeheuer ab, um es in tausend Stücke zu zerreißen. Aber nichts geschah. Das Ungeheuer preßte sich noch stärker an den Erdboden, streckte seine linke Pranke aus, und alle konnten sehen, wie es dem König mit langen, behaarten Fingern die Feige zeigte.
    »Her mit einem größeren Kaliber!« schrie der König und tat so, als habe er diese Geste nicht bemerkt. Und da rollte es auch schon heran, zweihundert Treiber luden das Geschütz, der König zielte und wollte gerade Feuer geben – da war die Bestie urplötzlich mit einem riesigen Satz über ihm. Der König zog sein Schwert, um sich zu verteidigen, aber da war auf einmal keine Bestie mehr. Alle, die es mit angesehen hatten, sagten später, sie hätten in diesem Moment ihren Augen nicht getraut, denn als die Bestie durch die Luft flog, machte sie eine blitzartige Metamorphose durch: Die graue unförmige Masse verwandelte sich mit einem Schlage in drei Wesen in Uniform, drei Polizisten, die sich – wenngleich noch immer in luftiger Höhe – sofort daranmachten, ihre Dienstgeschäfte aufzunehmen. Der erste Polizist zog Handschellen aus der Tasche und ruderte dabei heftig mit den Beinen durch die Luft, um das Gleichgewicht zu halten; der zweite hielt eine Hand auf den Tschako mit dem Federbusch gepreßt, damit ihn der Wind nicht davonblies, mit der anderen Hand zog er einen Haftbefehl aus der Brusttasche; der dritte aber, ein schlichter Wachtmeister, hatte offensichtlich nur die Aufgabe, seinen beiden Vorgesetzten die Landung zu erleichtern, er nahm eine horizontale Position unter ihren Füßen ein und diente ihnen als eine Art lebender Stoßdämpfer. Am Boden angekommen raffte er sich jedoch gleich wieder auf und klopfte sich den Staub von der Uniform; indessen legte der erste Polizist dem verblüfften und sprachlosen König bereits Handschellen an, und der zweite schlug ihm das Schwert aus der Hand. Dann packten sie den Gefesselten, um ihn in die Wildnis zu entführen; sie jagten in langen Sätzen dahin und rissen den nur schwach protestierenden Monarchen mit sich. Sekundenlang stand das gesamte Jagdgefolge wie versteinert da, bis es mit einem vielstimmigen Schrei die Verfolgung aufnahm. Schon holten die schnaubenden Kyberrösser die Entführer ein, schon waren Schwerter und Säbel gezückt und drohten niederzusausen, da beugte sich der dritte Polizist nach vorn, und drückte auf eine winzige goldene Taste auf seinem Bauch: Augenblicklich zogen sich seine Arme in die Länge und erstarrten zu zwei Deichseln, die Beine rollten sich zu zwei Rädern mit blinkenden Speichen zusammen, der Rumpf aber verwandelte sich in den lederbezogenen Kutschbock eines grünen Einspänners. Die beiden anderen Polizisten sprangen in die Kutsche, holten lange Peitschen hervor und droschen auf den König ein, um ihn zu einer schnelleren Gangart zu bewegen; der König war ihnen wohl oder übel zu Willen und verfiel in einen wahnsinnigen Galopp, wobei er wild mit den Armen herumfuchtelte, um sein gekröntes Haupt vor den niederprasselnden Schlägen zu schützen. Aber schon waren die Verfolger wieder dicht herangekommen, also packten die Polizisten den König beim Schlafittchen und setzten ihn zwischen sich; einer von ihnen schlüpfte schneller, als man das erzählen kann, zwischen die Deichseln, blies die

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