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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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gefolgt vom unendlich langen Troß der Reiter und Maschinen, die nicht alle ausschließlich jagdlichen Zwecken zu dienen schienen, denn unter ihnen befanden sich nicht nur die traditionellen Haubitzen und Katapulte, sondern auch mächtige Laser-Kanonen, Antimaterie-Mörser sowie ein Teerwerfer, der dazu ausersehen war, alles was durchs Gelände kreuchte und fleuchte, augenblicklich zu immobilisieren.
    So näherte sich der gewaltige Zug dem königlichen Jagdrevier, siegesgewiß, überheblich und in bester Laune. Niemand verschwendete auch nur einen Gedanken an die beiden Konstrukteure in ihrem finsteren Kerker, es sei denn, um höhnisch zu bemerken, diese ausgemachten Trottel säßen ganz schön in der Patsche, sicherlich jedoch zum letzten Mal in ihrem Leben.
    Als aber zum Zeichen der Ankunft Seiner Grenzenlosen Grausamkeit silberne Trompeten erschollen, da konnte man sehen, wie sich das unheimliche Vehikel aus der entgegengesetzten Richtung langsam näherte. Spezialhalterungen gaben ein metallisches Klicken von sich, die Einstiegsluke sprang mit einem Ruck auf und gab den Blick auf einen drohend aufgerissenen Schlund frei, der zu einer schweren Feldhaubitze zu gehören schien. Innerhalb der nächsten Sekunde folgte ein dumpfes Dröhnen, begleitet von einer gelben Rauchwolke, ein seltsames Wesen schoß aus dem Schlund hervor, unscharf in den Konturen wie ein Tornado und mit der generellen Konsistenz eines Sandsturms; es zischte so schnell durch die Luft, daß man beim besten Willen nicht erkennen konnte, ob es ein Tier war oder nicht. Was es auch war, es flog einige hundert Schritt oder auch mehr und landete lautlos; der Vorhang aber, in den es eingehüllt war, flatterte als himbeerroter Fleck zur Seite, und das feine Klingen gläserner Glöckchen durchschnitt die lähmende Stille. Jetzt konnte man die Bestie klar erkennen, soweit es da etwas zu erkennen gab: Sie sah aus wie ein Erdhügel, war verhältnismäßig groß und ziemlich lang, ihre Farbe paßte sich ganz der Umgebung an, ja es hatte sogar den Anschein, als wüchsen auf ihrem schuppigen Rücken sonnenverbrannte Disteln. Jetzt ließen die Treiber des Königs eine ganze Meute programmierter Jagdhunde los, zumeist Kybernhardiner, Kyberboxer und Kyberman-Pinscher, die sich heulend und geifernd auf das reglos kauernde Ungeheuer stürzten. Die Bestie aber dachte gar nicht daran, ihrerseits die Zähne zu fletschen oder etwa Feuer und Schwefel zu speien, sie öffnete lediglich ihre beiden Augen, die kurz aufflammten wie zwei bösartige Sonnen, und schon war die Hälfte der Meute zu Staub und Asche geworden.
    »Oho! Laser-Augen!« schrie der König. »Gebt mir meinen Antistrahlenküraß, meinen kugelsicheren Schild, meine Heliohellebarde!« Derart glänzend gerüstet und strahlend wie eine Supernova stürmte er auf seinem treuen Kyberroß vorwärts, das keine Furcht vor Kugeln und Raketen kannte. Die Bestie ließ ihn herankommen, die Klinge des Königs sauste fauchend herab, und schon rollte der vom Rumpf getrennte Kopf des Ungeheuers in den Sand. Obwohl das ganze Gefolge seinen Triumph pflichtschuldigst bejubelte, hatte der König keine Freude an diesem leichten Sieg; voll Zorn und Ingrimm schwor er, Foltern ganz spezieller Art für die elenden Versager zu ersinnen, die die Stirn gehabt hatten, sich als Konstrukteure auszugeben. Das Ungeheuer aber schüttelte sich nur kurz, und schon war aus seinem blutigen Rumpf ein neuer Kopf emporgewachsen; die Laser-Augen öffneten sich und sandten ihre todbringenden Strahlen aus, die dem König in seiner Duralumin-Rüstung jedoch nichts anhaben konnten. – Totale Nieten sind sie also doch nicht, wenngleich sie natürlich sterben müssen, dachte der König, gab seinem Kyberrappen heftig die Sporen und galoppierte erneut in die Schlacht.
    Er nahm seine ganze Kraft zusammen und holte zu einem furchtbaren Hieb aus. Die Bestie wich nicht aus, sie stellte sich der fauchenden Klinge förmlich in den Weg und gab sogar ein dankbares Grunzen von sich, bevor sie in zwei Hälften gespalten zu Boden sank. Doch was war das? Der König zog die Zügel mit der Linken straffer und rieb sich die Augen. Er hatte plötzlich zwei drohend zischende Ungeheuer vor sich, die einander aufs Haar glichen, wenngleich sie etwas kleiner waren als das Original. Und schon tauchte ein drittes auf, sozusagen eine Baby-Bestie, die zwischen den anderen beiden ihre Possen trieb: Dem kurze Zeit zuvor vom Rumpf getrennten Kopf war ein schuppiges Schwänzchen und

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