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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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und eingebauter Kuckucksuhr; und wenn die Eingeborenen nicht wüßten, was eine Kuckucksuhr ist, so sei dies um so schlimmer für sie, der König dürfte in seiner völligen Einsamkeit längst vor Ungeduld vergehen und würde mit denen, die seine Befreiung verzögern, sicherlich sehr gewissenhaft abrechnen. Diese harmlose Bemerkung löste allgemeines Herzklopfen, Nervenflattern und diverse Ohnmachten aus, doch die Arbeit kam voran. Schließlich war das Raumschiff fertig, und die königlichen Schauerleute begannen, die Ladung zu verstauen, an Bord verschwanden Diamanten, ganze Säcke mit Perlen und Gold in solcher Menge, daß es immer wieder aus der Einstiegsluke quoll.
    Währenddessen streiften Polizisten heimlich durch Wälder und Felder und stellten das ganze Land auf den Kopf. Doch den Konstrukteuren entlockten diese Aktivitäten nicht mehr als ein müdes Lächeln, ja sie ließen sich sogar herbei, all denen, die ihnen mit Angst und Schrecken, aber noch größerer Neugier zuhörten, bereitwillig zu erklären, wie sich alles zugetragen hatte, wie sie ihren ursprünglichen Plan völlig verworfen hatten, und wie ihnen die Erleuchtung gekommen war, das Ungeheuer auf gänzlich andere Weise zu konstruieren. Da sie absolut nicht wußten, wo und wie sie die Steuerungsmechanismen – d. h. das Gehirn – installieren sollten, hatten die Konstrukteure, um gänzlich sicherzugehen, kurzerhand überall Gehirn eingebaut und die Bestie somit befähigt, mit den Beinen, mit dem Schwanz oder auch mit dem Rachen zu denken, der selbstverständlich nur mit Weisheitszähnen ausgerüstet war. Doch das war nur der Anfang, die eigentliche Aufgabe bestand aus zwei Komponenten, der psychologischen und der algorithmischen. Zunächst mußten sie entscheiden, was den König überwältigen und gefangensetzen sollte; zu diesem Zweck schufen sie durch nichtlineare Transmutation eine automorphe Polizeigruppe im Innern der Bestie, denn Polizisten, die einen lege artis ausgestellten Haftbefehl vorlegen, vermag bekanntlich nichts und niemand im ganzen Kosmos zu widerstehen. Soviel zur Psychologie; fügen wir nur noch hinzu, daß der Generalpostmeister ebenfalls aus psychologischen Gründen in Aktion gesetzt wurde, denn ein Beamter niedrigeren Ranges hätte es vielleicht nicht geschafft, die Wachen zu passieren und den Brief zuzustellen, was die Konstrukteure den Kopf gekostet hätte. Der künstliche Minister aber, der die Rolle des Boten spielte, hatte außer dem Brief noch eine Menge Gold für den Fall in der Tasche, daß er gezwungen sein sollte, die Wachen zu bestechen. Kurz, es war einfach an alles gedacht. Was nun die Algorithmen anbelangte, so mußte man lediglich die Urbildgruppe der Ungeheuer auffinden, denn selbstverständlich bildet die Menge der n-dimensionalen Polizisten eine Untergruppe der eineindeutig linearen Ungeheuer. Der Algorithmus des Ungeheuers sah keinerlei Personalunion, sondern ausschließlich kontinuierliche Transformationen in wechselnde Personifikationen vor. Eingespeichert aber wurde er mit der im chemischen Sinn äußerst unsympathischen Tinte hinter dem Vorhang mit den Glasglöckchen, einmal in Gang gesetzt wirkte er später von allein auf die Wurzeln und Gleichungen, besonders natürlich dank der geradezu ungeheuerlich polizeilichen Selbstorganisation. Fügen wir sogleich hinzu, daß die Konstrukteure später in einer bekannten wissenschaftlichen Zeitschrift einen Artikel mit folgendem Titel veröffentlichten: »Generalrekursive Eta-Meta-Beta-Funktionen im speziellen Fall der Transformation polizeilicher in bestialisch-postalische Kräfte auf einem oszillierenden Feld von Glasglöckchen, unter besonderer Berücksichtigung einer zwei-drei-vier-sowie n-rädrigen Kutsche, grün lackiert, mit topologischer Petroleumlaterne, unter Verwendung einer reversiblen Matrix auf Rizinusöl, rosa gefärbt zur Ablenkung der Aufmerksamkeit, im Rahmen einer allgemeinen mathematischen Theorie der polizeilich-bestialischen Ungeheuristik.« Keiner der Höflinge, Minister und Offiziere und erst recht keiner der an den Rand des Wahnsinns getriebenen Polizisten verstand auch nur ein Wort von all dem, aber was machte das schon aus? König Grausams Untertanen wußten ohnehin nicht mehr, ob sie die Konstrukteure nur noch bewundern oder auch ein wenig hassen sollten.
    Schon sind die letzten Vorbereitungen für den Start getroffen. Trurl schreitet mit einem Sack in der Hand durch die Gemächer des Königs und packt in aller Seelenruhe und

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