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Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter.

Titel: Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem , Daniel E. Mroz
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diamantenübersäten Festgewand mit dem Marschallsstab in der Hand die fröhlichen Trinksprüche, die auf das junge Paar ausgebracht wurden. Danach belud er sein Raumschiff mit den Diplomen, Lehnsurkunden und Auszeichnungen, die ihm Kaiser und König verliehen hatten, und kehrte ruhmgesättigt in die Heimat zurück.
     
     
     
    Die fünfte Reise oder
Die Possen des Königs Balerion
     
     
    Nicht durch Grausamkeit machte Balerion, Herrscher der Kymbronen, seinen Untertanen das Leben schwer, sondern durch seine Vorliebe für munteren Zeitvertreib. Und es waren wiederum nicht wilde Gelage oder nächtliche Orgien, die dem König am Herzen lagen, sondern Spiele der unschuldigsten Art: Sackhüpfen, Hinke-Pinke oder Murmelspiel von Mitternacht bis in den frühen Morgen, ferner Bockspringen und Messerwerfen, mehr als alles andere aber liebte er das Versteckspiel. Wann immer eine wichtige Entscheidung getroffen, ein Dekret von staatspolitischer Bedeutung unterzeichnet, interstellare Gesandte empfangen oder dem Feldmarschall eine Audienz gewährt werden mußte, pflegte sich der König zu verstecken und erteilte allen Höflingen unter Androhung grausamster Strafen den Befehl, nach ihm zu suchen. Bei solchem Anlaß rannte der gesamte Thronrat kreuz und quer durch den Palast, watete durch den Schloßgraben, schaute unter die Zugbrücke, durchkämmte sämtliche Türme und Zinnen, klopfte die Wände ab und stellte den Thron auf den Kopf; oftmals dauerten diese Suchaktionen sehr, sehr lange, denn der Monarch dachte sich immer neue Verstecke aus. Einmal konnte ein schrecklich wichtiger Krieg nur deshalb nicht erklärt werden, weil der König, geschmückt mit Glasflitter und Kristallgehängen, drei Tage unter der Decke des Prunksaals hing und von jedermann für einen Kronleuchter gehalten wurde, während er sich beim Anblick der verzweifelt hin und her rennenden Höflinge ins Fäustchen lachte. Wer den Monarchen fand, erhielt sogleich den Ehrentitel eines Königlichen Entdeckers – es gab bereits siebenhundertsechsunddreißig Würdenträger dieser Art. Wer aber die besondere Gunst des Königs gewinnen wollte, der mußte ihm die Zeit mit einem neuen Spiel vertreiben, das Balerion noch nicht kannte. Und das war alles andere als einfach, denn der Monarch war äußerst versiert auf diesem Gebiet; er kannte all die alten Spiele, wie Gerade-oder-ungerade, er kannte aber auch die neuesten, wie Elektronenkreiseln, ja von Zeit zu Zeit sagte er, alles sei nur ein Spiel, sowohl sein königliches Regiment als auch die ganze weite Welt.
    Diese unbesonnenen und leichtfertigen Worte empörten die ehrwürdigen Mitglieder des Thronrats, besonders aber den dienstältesten Minister Papagaster aus dem uralten Geschlecht derer von Matritzewitz, der voller Entrüstung sagte, dem König sei nichts heilig, ja er wage es sogar, Seine Höchsteigene Person der Lächerlichkeit preiszugeben.
    Panische Angst ergriff jedoch alle, wenn der König aus einer plötzlichen Laune heraus erklärte, nun sei es Zeit zum Rätselraten. Er hegte seit jeher eine Leidenschaft für Rätsel; einmal stürzte er den Großkanzler in die größte Verwirrung, als er ihn mitten in der Krönungszeremonie fragte, ob sich Nationalismus und Rationalismus durch etwas unterschieden, und falls ja, wodurch?
    Der König merkte sehr bald, daß sich die Höflinge keine besondere Mühe gaben, die Rätsel zu lösen, die er ihnen aufgab. Sie speisten ihn mit x-beliebigen Antworten ab, sagten, was ihnen gerade in den Sinn kam, und das erzürnte den König über alle Maßen. Eine Änderung zum Besseren stellte sich erst ein, als er die Besetzung sämtlicher Ämter bei Hofe von den Ergebnissen im Rätselraten abhängig machte. Es hagelte Degradierungen und Dekorationen, und der ganze Hof mußte wohl oder übel an den Spielen teilnehmen, die Seine Majestät ersonnen hatte. Leider versuchten viele Würdenträger, den König zu betrügen, der – obwohl im Grunde seines Herzens gutmütig – Betrüger nicht ausstehen konnte. Der Generalfeldmarschall wurde in die Verbannung geschickt, weil er während der Audienzen einen unter der Halskrause seines Küraß verborgenen Spickzettel benutzt hatte; die Sache wäre niemals herausgekommen, wenn ihn nicht einer seiner alten Feinde, ein gewisser General Zasterstein, beim König denunziert hätte. Auch Papagaster, der Vorsitzende des Thronrats, mußte sein hohes Amt niederlegen, denn er wußte nicht, welches der dunkelste Ort im Weltraum ist. Nach einiger Zeit

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